Ich habe den Blutkrebs überlebt – und die Pandemie macht mir auch keine Angst!

Schminktutorials auf Youtube gucken, danach „Hasi“ mit frischgepflückten Löwenzahn versorgen, anschließend mit der ein Jahr älteren Schwester Nefeli auf Skates um den Block cruisen; oder mit der Spielekonsole spielen – eigentlich verbringt die 14jährige Ismini aus Groß Zimmern diesen „verrückten“ Corona-Sommer genauso wie Millionen andere Jugendliche auch. Pandemie-Alltag in Deutschland zwischen Homeschooling, Ferien und Rückkehr zum „normalen“ Unterrichtsbetrieb.

Der gravierende Unterschied zu den meisten Altersgenosse: bei Ismini ist der August seit fünf Jahren Schicksalsmonat. Sommer für Sommer wird ihr Leben mal auf den Kopf, dann ganz in Frage gestellt – und schließlich gerettet. „2015, am 26sten August, erhielt ich die Diagnose ,akute lymphatische Leukämie‘“, weiß die Tochter von Heike (52) und Christos (55) Xanthopoulos noch genau. „Seitdem gehört das Unübliche, das Nichtalltägliche, das Außergewöhnliche zu meinem Alltag.“

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In Deutschland wird bei bis zu 1000 Menschen pro Jahr eine akute lymphatische Leukämie (ALL) neu diagnostiziert. Der schnell voranschreitende Blutkrebs geht von Vorläuferzellen der Lymphozyten im Knochenmark aus – bei gesunden Menschen entwickeln sich daraus die B- und auch die T-Zellen, außerdem natürliche Killerzellen.

Die fehlgesteuerten, sich rasch vermehrenden Immunzellen überfluten das Knochenmark, hemmen stark zunehmend die Bildung gesunder Blutzellen. Bekanntester ALL-Patient ist sicherlich José Carreras. Der berühmte Tenor erkrankte 1987 an diesem Blutkrebs und überlebte – entgegen jeder Erwartung – nach einer Knochenmarkstransplantion in den USA.

Damals führte die Tumorerkrankung noch bei der überwiegenden Zahl der Patienten innerhalb von wenigen Wochen zum Tode. Inzwischen ist die akute lymphatische Leukämie immerhin bei über der Hälfte der Erwachsenen und bei etwa vier von fünf aller Kinder mit intensiver Chemotherapie in Kombination mit der so genannten allogenen Stammzelltransplantion heilbar.

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Vom heraufziehenden Unheil ahnen Ismini und ihre Familie nichts, als Mitte Mai 2015 die damals Neunjährige wiederholt über Kopfschmerzen, Übelkeit, dann wieder Rückenschmerzen klagt. „Vor den Sommerferien standen in der Schule Bundesjugendspiele an“, erinnert sich das Mädchen, das bis dahin im Lieblingsfach Sport immer eine Eins hatte. „Statt mit der Ehrenurkunde kam ich diesmal aber nur mit einer Siegerurkunde nach Hause – es fühlte sich an, als ob mir etwas in den Knochen stecken würde.“

Heike Schnoor geht mit Ismini zum Orthopäden. Der versucht mit Kinesio-Tapes die „Wachstumsschmerzen“ zu lindern – ohne Erfolg. „Mitte August wechselten wir zum Kinderarzt. Und dort wurde meiner Tochter zum Glück gleich Blut abgenommen.“

Durch den Labor-Befund geht plötzlich  alles ganz schnell. „Morgens nach Praxisöffnung klingelte bei uns das Telefon: Ismini habe vermutlich Leukämie, erklärte mir der Kinderarzt. Es bestünde Lebensgefahr. Wir müssten heute noch in das Universitätsklinikum nach Frankfurt. Kurz darauf saßen wir im Auto – ich in der irrigen Hoffnung, dass das alles nur ein Missverständnis ist; dass das Labor vermutlich nur die Proben vertauscht hat.“

Aber das Labor hat keinen Fehler gemacht. Die zweite Blutabnahme in der Klinik kommt zum selben Ergebnis. Ismini und Mutter Heike werden auf Station vier der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikum Frankfurt aufgenommen. Und die Neunjährige bekommt ihre erste Infusion – mit Cortison.

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„Solche Verläufe wie bei Ismini sind tatsächlich kein Einzelfall“, weiß der stellvertretende Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Professor Peter Bader (58). „Bis heute erfolgt die Diagnose der Leukämie eher spät als früh. Durch die Vermehrung der Blutkrebszellen im Knochenmark kommt es zu Schmerzen, die die Ärzte anfangs in die Irre leiten. Oft wird die Diagnose gestellt, wenn blaue Flecken, sogenannte Hämatome zu sehen sind.“

Aufgrund der hohen Teilungsraten im blutbildenen System und der Gefahr der Streuung vor allem ins Gehirn und Rückenmark zählt bei ALL jeder Tag. Auch bei Ismini ist der Blutkrebs fortgeschritten: die Zahl der Leukos liegt bei Hunderttausend pro Mikroliter Blut. Normal sind Vier- bis maximal Zwölftausend.

Die täglichen Infusionen wirken schnell. Heilen kann Cortison aber nicht. „Für uns ist das immunsupressive Medikament ein wichtiger Prognosefaktor für die spätere Behandlung mit den toxischen Krebsmedikamenten. Je rascher die Leukämiezellen auf das Cortison reagieren, ist das ein prognostisch gutes Zeichen. Hält das gute Ansprechen weiter an, kann meist auf eine Intensivierung der Therapie verzichtet werden“, erläutert Professor Bader.

Bei Ismini sinkt der Wert innerhalb von zwei Wochen auf unter Zehntausend. Mit einem Behandlungsplan für das nächste dreiviertel Jahr können Tochter und  Mutter das Frankfurter Universitätsklinikum für eine „Atempause“ verlassen.

„Die anschließenden Wochen und Monate wurden dann sehr, sehr anstrengend. Während der Intensiv-Behandlungsblöcke wurde nicht nur das Knochenmark von Ismini in Mitleidenschaft gezogen, sondern ihr gesamter Körper. Sie mochte weder essen noch trinken, magerte machmal zehn Kilo innerhalb der 14 Tage ab. Die Haare fielen ihr aus. Die Schleimhäute wurden gereizt. Sie war müde und schlapp. Ständig war ihr schlecht. Während der Therapie und auch danach versuchte ich sie,  so gut es ging, aufzupeppeln – bis beim nächsten Zyklus alles von vorne los ging.“

Ismini trägt die Behandlung unglaublich tapfer. Sie ist sich sicher: „Egal was kommt, es wird gut“. Ihr Optimismus und ihr Kampfesmut werden allerdings mehrfach hart auf die Probe gestellt.

Im August 2017 zeigt die molekulargenetische Blutuntersuchung, dass sich erneut versprengte Krebszellen zum Angriff formieren. „Wir haben uns hier in Frankfurt darauf spezialisiert, möglichst früh zu intervenieren. Als nächste Maßnahme war Ende Oktober 2017 deshalb die allogene Stammzelltransplantation dran“, dokumentiert Professor Bader.

Dazu wird per Ganzkörperbestrahlung und Hochdosis-Chemo das körpereigene, blutbildene System komplett zerstört. Anschließend bekommt Ismini per Infusion neue Stammzellen, die vorab über eine Datenbank von einem „genetischen Zwilling“ organisiert worden sind.

Innerhalb weniger Tage stoßen diese blutbildenden „Meisterstücke“ vom peripheren Blutkreislauf ins Knochenmark vor, fangen dort an, sich zu teilen. Aus den Kopien reifen anschließend die festen Bestandteile des Blutes heran: weiße und rote Blutzellen, sowie Blutplättchen.
„Da zwischen Deaktivierung und ausreichender Produktion das Immunschild schwach ist, musste Ismini fünf Wochen streng abgeschirmt im Transplantationszentrum betreut werden. Kurz vor Weihnachten konnten wir die Klinik endlich verlassen – am Ziel waren wir leider immer noch nicht“, blickt Mutter Heike zurück.

Nach dem Familienurlaub in Griechenland 2018 tauchen bei der nächsten Kontroll-Untersuchung im August erneut Hinweise auf, dass die Leukämie zurückkehrt. Damit gehört Ismini zu den Kindern, bei denen die aktuelle Standardtherapie nicht ausreichend wirkt.

„Früher hätten wir noch einmal transplantiert. Oder wären per Chemotherapie dagegen angegangen,“ so Professor Bader. „Besiegt hätten wir die Leukämie aber vermutlich nicht mehr. Nur etwa vier von zehn Kindern mit ALL konnten bislang geheilt werden, wenn sie einen Rückfall nach Transplantation erlitten.“

In dieser „Zweit-Linien-Situation“ können jetzt zum Glück die Kinderärzte auf einen neuen Hoffnungsträger in der Onkologie zurückgreifen – die Krebsimmuntherapie. Prof. Bader: „Die Idee, Krebszellen mithilfe des körpereigenen Immunsystems zu bekämpfen, ist sogar älter als die der Chemotherapie. Doch erst mit Beginn des 21. Jahrhunderts sind die vielfältigen Interaktionen zwischen den winzigen, biologischen Bausteinen so weit erforscht, dass wir diesen Weg sowohl sicher als auch erfolgreich beschreiten können.“

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Beeindruckendes Beispiel, wie weit die Krebsimmuntherapie bereits ist, ist die CAR-T-Zelltherapie, die im August 2017 in den USA zugelassen worden ist und seit August 2018 ebenfalls in Deutschland zur Behandlung des B-Zell-Lyphoms bei Erwachsenen und der akuten lymphatischen Leukämie bei Kindern zur Verfügung steht.

Das Besondere: zur Behandlung werden patienteneigene T-Zellen gegen die Tumorzellen ,scharfgemacht‘. Der Ablauf der Behandlung am Patienten ist erstaunlich unspektakulär, ähnelt einer herkömmlichen Eigenblutspende – mit dem wichtigen Unterschied, dass zwischen Spende und Empfang ein extrem aufwändiger Aufbereitungsprozess in einem speziell zertifizierten Gentechnik-Labor notwendig ist.

„Bevor der Blutbeutel auf Reisen geht, werden in der Klinik im Rahmen einer Leukapherese die weißen Blutkörperchen vom restlichen But getrennt, dann die Zellen in Stickstoff tiefgefroren und per Kurier ins Labor gebracht.“

In verschiedenen Schritten werden dort aus dem Blutmaterial die T-Zellen sorgfältigst isoliert und ihr Zell-Bauplan so verändert, dass sie die Blutkrebszellen gezielt ansteuern und deaktivieren. Dazu erschafft man eigens eine Art biologischer Antenne (CAR), die auf der einen Seite an der Oberfläche der Tumorzelle andockt, auf der anderen Seite mit der körpereigenen T-Zelle verbunden ist.

In Deutschland erfolgt diese hochspezielle Aufarbeitung zuerst in Leipzig am Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie, dauert ungefähr eineinhalb Wochen. Am Ende besteht der kleine Beutel milchig-trüben Inhalts aus 99 Prozent hochreinen CAR-T-Zellen. Wieder eingefroren werden diese auf den Weg zurück zur Klinik des Spender gebracht.

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Ismini erinnert sich genau: „Die Blutentnahme erfolgte bei mir Mitte November 2018. Ende November durfte ich noch mal nach Hause. Dann bekamen wir den Anruf, dass die Zellen bereit stünden. Ich war bewusst ein bisschen euphorisch, als wir am sechsten Dezember in die Klinik fuhren. Meine Erfahrung ist nämlich, wenn man zu skeptisch ist, funktioniert es nicht.“

Zuerst bekommt Ismini noch einmal Chemotherapie. Dann ist es soweit: Die Behandlung erlebt Ismini als spektakulär unspektakulär. „Mir wurde ein Zugang wie für die übliche Infusion gesetzt, dann wurde der Beutel angehängt. Es dauerte eine viertel Stunde. Nach einer halben Stunde setzte heftiger Schüttelfrost ein. Mir wurde furchtbar kalt. Ich brauchte vier Decken. 40 Minuten später ging es mir wieder gut. Nach fünf Tagen zur Beobachtung durfte ich nach Hause, konnte Weihnachten wieder mit meiner Familie feiern.“

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In den letzten zwanzig Jahren haben nicht nur Ärzte bedeutende Forschritte bei der Bekämpfung der bösartiger Zellen gemacht. Eine wichtige psychologische Entdeckung ist, dass manche Menschen trotz widriger Umstände eine besondere Gabe haben, gesundheitliche Krisen besser zu bewältigen. „Resilienz“ nennen Psycho-Onkologen dieses Geheimnis der inneren Stärke  – und wer wissen möchte, was es damit auf sich hat, kann von Ismini einiges lernen.

„Genau kann ich es auch nicht erklären, aber tief in mir drinnen hatte ich immer Kraft. Ich fühlte einfach, dass alles gut werden wird. Und das sagte ich auch zu meiner Mutter, wenn wir erst zweimal die Woche, später einmal im Monat nach Frankfurt zur Kontrolle fuhren: ,Mach‘ Dir keine Sorgen, es wird gut!“

März 2019 fühlt sich Ismini wieder so stark, dass sie stundenweise nach und nach am Schulunterricht teilnehmen kann. „Im August tauchten die ersten Haare auf meinem Kopf auf – safe bis Ende des Jahres lief ich aber mit Perücke herum. Nach den Sommerferien ging es dann regelmäßig zur Schule Ich kam in die achte Klasse. Zum Jahreswechsel freute ich mich auf all die Normalität in 2020. Und dann kam Corona.“

Aufgrund Isminis eingeschränkter Abwehrkräfte „verschanzt“ sich die gesamte Familie regelrecht in ihrem Haus in Groß Zimmern. Vater Christos kann zum Glück ins Homeoffice gehen. Mutter Heike wagt sich fortan nur für die allernötigsten Besorgungen vor die Tür. „Wir haben einen großen Garten, der ab Ende Mai regelmäßig unseren Speiseplan mit frischem Obst, Gemüse und Kräutern ergänzte“, sagt Christos Xanthopoulos. „Als die Tage wärmer wurden, stellten wir für beide Mädchen einen Pool im Hinterhof auf.“

Das größte Problem – gerade für Mutter Heike: Um die stationär aufgenommenen Kinder zu schützen, ergreift das Universitätsklinikum Frankfurt besondere Maßnahmen. „Alle externen Kontrolluntersuchungen wurden erstmal gecancelt. Für uns war es, als ob mitten auf hoher See unser Kompass ausfiel. Da aber Ismini weiter gesund blieb, war es eigentlich eine ganz gute Übung, nach Jahren der Angst und Sorge Vertrauen aufzubauen.“

Dank der disziplinierten Umsetzung der Maßnahmen gegen Corona in der breiten Bevölkerung und des deutlichen Rückgangs der Infektionszahlen kann Anfang Juni die Klinik die Ambulanz wieder weitgehend zum Normalbetrieb zurückkehren . Gleich die erste Kontrolluntersuchung von Ismini zeigt: alles im grünen Bereich.

„Natürlich halte ich weiter Abstand, wasche mir ständig die Hände und habe den Mundschutz immer dabei“, sagt die 14jährige zum Schluss. „Außerdem kann ich immer noch nicht alle meine Freunde treffen. Auch Shoppen gehen fällt aktuell leider flach – aber das Virus wird ja nicht ewig bleiben. Ich habe Zeit. Ich habe die Leukämie überlebt. Und vor Corona habe ich keine Angst…“

Sechs Fragen an Professor Peter Bader, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Schwerpunkt Stammzelltransplantation, Immunologie und Intensivmedizin am Universitätsklinikum Frankfurt. 

Was passiert detailliert bei der ALL? Die akute lymphatische Leukämie geht von den Vorläuferzellen der Lymphozyten im Knochenmark aus. Die funktionsunfähigen Vorläuferzellen, die sich rasch unkontrolliert vermehren, breiten sich dort aus und behindern die Bildung  gesunder Blutzellen. Die ALL entwickelt sich sehr rasch, führt zu schweren Krankheitssymptomen und muss deshalb umgehend behandelt werden.

Welche Beschwerden macht die akute Leukämie? Typische, erste Anzeichen der ALL sind – wie bei allen Leukämien – Blässe, Abgeschlagenheit, Blutungsneigung und Fieber. Auch Vergrößerungen der Lymphknoten und der Milz sind typisch. Aber auch Leber, Gehirn und Rückenmark, Hoden, Haut und Knochen können befallen und geschädigt werden. Etwa jeder fünfte Patient klagt über Knochen- oder Gelenkschmerzen; bei Kleinkindern ist mitunter eine „Gehfaulheit“ zu beobachten

Wie häufig tritt die Krankheiten auf? Bei rund 650 Kindern und Jugendlichen  in Deutschland wird pro Jahr eine akute lymphatische Leukämie neu diagnostiziert. Damit gehört die ALL zu den häufigsten Krebserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland.

Für wen kommt die neue Therapie in Frage? Das neue Medikament steht für die Behandlung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis 25 Jahre bei einer akuter lymphatischer Leukämie (ALL) zur Verfügung, wenn es nach Stammzell-Transplantation zum lebensgefährlichen Wiederauftreten der Krankheit kommt, oder für Patienten die auf eine Chemotherapie nicht ansprechen. Für Erwachsene gilt die Zulassung für das diffus großzellige B-Zell-Lymphom (DBCL), wenn zwei oder mehrere Behandlungen mit einer Chemotherapie erfolglos geblieben sind.

Wie wirken die CAR-T-Zellen? Die Wirkung setzt innerhalb von Stunden bis weniger Tagen ein: die behandelten Immunzellen erkennen das CD19-Antigen, das Krebszellen und andere B-Zellen auf der Außenhülle tragen und docken gezielt daran an. Durch die Bindung wird durch die veränderten T-Zelle ein Vernichtungsprogramm in den Leukämiezellen gestartet, das schließlich zum Zelltod der Krebszelle führt.

Gibt es Nebenwirkungen? Ja. Das wichtigste bekannte, unerwünschte Ereignis der CART-T Zelltherapien ist das Zytokin-Freisetzungssyndrom. Auf englisch Cytokine Release Syndrome – kurz CRS. Dieser Zytokinsturm, der mit hohem Fieber einher geht, kann auftreten, wenn die hergestellten Zellen im Körper aktiviert werden und bedarf einer intensiven, medizinischen Betreuung bis hin zur Verlegung auf die Intensivstation.

Kasten Das ist die neue CAR-T-Zell-Therapie

Anders als bei den bislang üblichen systemischen Behandlungsmethoden wird das neue Therapeutikum für jeden Patienten individuell auf Basis seiner körpereigenen T-Zellen hergestellt.

Dazu werden in einem Speziallabor die T-Zellen vom restlichen Gewebe isoliert und mit Hilfe gezielt veränderter Viruspartikel – so genannten lentiviralen Vektoren – im Zellkern umprogrammiert. Durch die DNA-Veränderung werden die T-Zellen dazu gebracht, auf ihrer Außenhülle spezielle Eiweiß-Antennen ausbilden. Diese „chimäre Antigenrezeptoren“ – kurz CAR – haben die Eigenschaft, an spezifische Oberflächenmarkern der Krebszelle zu binden.

Nach Umprogrammierung der T-Zellen zur CAR-T-Zelle werden die Immunzellen so lang im Labor vermehrt, bis eine wirksame Anzahl an Immunzellen erreicht ist

Vor der Infusion des neu zugelassen Medikaments wird das bestehende Immunsystem (vor allem die Leukozyten) des Patienten durch eine Chemotherapie vorübergehend herunter gefahren. Dadurch soll es den CAR-T Zellen erleichtert werden, sich im Blut und im Knochenmark auszubreiten und gezielt zu wirken.

Die Gabe erfolgt per Infusion in den Blutkreislauf. Untersuchungen haben gezeigt, dass sich die Menge der CAR-T Zellen im Körper – zur ursprünglich infundierten Zellzahl – während des Angriffs vertausendfachen kann. Bis zu sechs Monate und länger sind die Anti-Krebs-Zellen im Körper nachweisbar.

Die Medikamenten-Gabe erfolgt einmalig.

Weitere Infos zur Leukämie: https://www.kompetenznetz-leukaemie.de

Weitere Therapieinfos: Die CAR-T Zelltherapie wird nur in speziellen Zentren in Deutschland eingesetzt. Die Herstellung erfolgt aktuell in Morris Plains (USA) und am Fraunhofer Institut in Leipzig. Weitere Produktionsstätten sind in Planung.

Klinikkontakt: Universitätsklinikum Frankfurt
Theodor-Stern-Kai 7
60590 Frankfurt am Main
Telefon: +49 69 63 01-0

© medizin-reporter.blog/André Berger

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About André Berger

Geboren in Hamburg. 1986-1990 freier Reporter. 1991 Redakteur Heinrich Bauer Verlag. Seit 1992 freier Medizinreporter Meine Arzt- & Patienten-Reportagen (Text & Fotos) erscheinen regelmäßig in den großen, wöchentlichen Publikums- und Frauenzeitschriften des Burda-Verlags, der Funke-Gruppe und des Bauer Verlages