
GRENZEN. „Natürlich weiß ich, dass es Schlimmeres gibt. Haarausfall ist kein Beinbruch. Aber ein Beinbruch heilt. Und dann ist man wieder gesund“, schickt Lena Leuthäuser (Name geändert) ihrem Bericht voraus. „Bei ,Alopecia diffusa’, so der offizielle Name meiner Krankheit, ist das anders. Da tut nichts weh. Da droht nicht direkt Gefahr für Leib oder Leben. Und trotzdem fühlst Du Dich nicht gut. Und wie ein Wassertropfen irgendwann ein Fass zum Überlaufen bringt, bringt Dich irgendwann das kleinste Haarbüschel in der Bürste an eine Grenzen.“

AUFWAND. Die mächtige Löwenmähne ist seit ihrem 16ten Lebensjahr so etwas wie ein Teil ihrer Person. „Damals lief ,Pretty Woman’ im Kino – und als da Julia Roberts morgens aus dem Bad kommt, dachte ich nur: wow, das willst Du auch!“, erzählt die 43jährige Finanzwirtin aus Nürnberg. „Seitdem kümmere ich mich täglich eine halbe bis dreiviertel Stunde um meinen von Natur glatten Haare, hege und pflege Strähne für Strähne.“
MYSTERIÖS. September 2007 bekommt Lena einen ersten Vorgeschmack auf das, was das Lebensschicksal noch für sie bereit hält. „Damals machte mich mein Friseur, bei dem ich alle acht bis zehn Wochen bin, auf übermäßigen Haarausfall aufmerksam“, erinnert sich Lena Leuthäuser. „Umgehend ging ich zum Hautarzt. Doch eine Haaranalyse blieb ohne Befund. Der Experte schob den massiven Haarverlust auf eine Art saisonalen Fellwechsel und mahnte mich zur Geduld. Glücklicherweise verschwanden die Beschwerden kurze Zeit später“.

ALPTRAUM. Seitdem achtet die Vegetarieren aus Genussgründen generell auf eine bessere Versorgung mit dem Spurenelement Zink und Vitamin B7 (Biotin). „Ich hoffte, dass mich das vor einem Rückfall bewahren würde – doch ich irrte mich gründlich“, blickt Lena zurück. „Aus heiterem Himmel ging es im Mai 2016 wieder los. Ich fühlte mich weder krank, noch in sonst irgendeiner Form belastet oder gestresst. Trotzdem begannen von jetzt auf gleich mir die Haare massiv auszufallen. Im Auto und im ganzen Haus verteilt flogen meine Büschel herum. Wusch ich meine Haare konnte ich das Haar strähnenweisen vom Kopf herunterziehen. Es war ein Alptraum!“

PROZESS. Wieder geht Lena Leuthäuser zum Hautarzt. Wieder wird eine genaue Analyse gemacht. Wieder findet der Experte keine Ursache. Wieder bleibt nur die Hoffnung, dass es sich von selbst beruhigt. „Doch diesmal blieb mein sehnlichster Wunsch unerfüllt. Statt dessen beschleunigte sich der Haarverlust. Im Dezember 2016 wurde ich erstmals von einer Kollegin angesprochen, dass nicht nur mein Haar immer dünner wird. Sondern auch, dass man meine Kopfhaut sehen kann!“

STROHHALM. In ihrer Verzweiflung probiert Lena Leuthauser jedes Haarwuchsmittel aus, dass ihr auch nur einigermaßen sinnvoll erschien: Schüsslersalze, Homöopathie, Heilpflanzen. „Summa summarum gab ich damals bestimmt 200 bis 300 Euro pro Monat aus – ohne Erfolg“, sagt sie. „Als ich im April 2017 wieder einen massiven Schub erlitt, war ich mit meinen Nerven am Ende. Verzweifelt begann ich im Internet zu googeln – stieß auf einen Artikel über das Haarinstitut Kayaveda in Augsburg, Dort behandelt man mit Ayurveda den Haarausfall. Und da sagte ich zu mir: Das probierst Du jetzt aus!“

TRADITION. Die indischstämmige Institut-Leiterin Balvinder Sidhu (52) wuchs in einer Sikh-Familie auf, die seit Generationen mit der traditionellen, fernöstlichen Medizin verwurzelt ist. „Im Ayurveda ist die Einheit von Körper, Seele und Geist für die Gesundheit von großer Bedeutung“, erklärt die Haar-Therapeutin und Buchautorin („Haarausfall“, Erd-Verlag) in der Erstberatung. „Zur Harmonisierung wird nach Puls- und Zungendiagnose entsprechend ihres Dosha-Typs individuell eine spezielle Entschlackungskur auf sie angepasst.“

HINTERGRUND. In Indien wird das traditionsreiche, über 4000 Jahre alte Heilverfahren neben der modernen Schulmedizin gelehrt und erfolgreich praktiziert. Ayurveda – zu Deutsch ,Wissen vom Leben‘ – geht dabei von drei Grundenergien (Doshas) aus, die beim gesunden Menschen im Gleichgewicht sind – Vata, Pitta und Kapha (siehe Selbsttest).
ENTGLEISUNG. „Jeder Mensch hat seine ganz eigene Zusammensetzung der Doschas“, berichtet die Expertin, die vor über 35 Jahren aus dem Norden Indiens nach Deutschland kam. „Die Energien werden von vielen Faktoren beeinflusst – zum Beispiel von der Arbeit, der Nahrung oder dem Wetter. Geht das Gleichgewicht verloren, ist unser Wohlbefinden gestört. Wir geraten aus der Balance. Deshalb behandel ich auch nicht ,Haarausfall’, sondern versuche die Doshas ins Gleichgewicht zurückzubringen – quasi als Hilfe zur Selbsthilfe des Körpers.“

KONTROLLIERT. In der bildhaften Vorstellung des Ayurveda harmonisiert eine Drei-Phasen-Entschlackungskur die Doschas, korrigiert das Agni (Verdauungsfeuer), reinigt die Shrotas (Kanäle) und kräftig alle Dhatus (Gewebe). „Dazu greifen wir auf so berühmte Heilpflanzen-Rezepturen wie zum Beispiel Triphala zurück“, so Balvinder Sidhu. „Dahinter verbergen sich die Früchte der drei Himalaya-Bäume Haritaki, Amalaki und Bibhitaki. Die Mixtur wird hier in Deutschland laborüberwacht speziell für uns zusammengestellt.“

KURPLAN. Für die zehn Tage Entschlackung zu Hause besorgt sich Lena Leuthauser zudem frischen Ingwer und Indische Flohsamenschalen aus dem Reformhaus und Mungh-Bohnen aus dem Asia-Shop. „Zum Frühstück gab’s dann kombiniert Isebgol-Kräutermix mit Indischer Flohsamenschalen und Banane, Apfel oder Ingwer“, liest sie von ihrem Kur-Plan ab. „Mittags kam Mungh-Bohnen-Suppe auf den Tisch, die ich ab dem sechsten Tag mit Gemüse und Reis anreichern durfte. Die ersten drei Tage herrschte strenges Weizenmehlverbot.“

KRÄFTIGUNG. Auch für die Haare stellt Therapeutin Balvinder Sidhu ihrer Klientin etwas zusammen. „Die Kopfhaut ist bei Ihnen zu fettig“, erklärte die Expertin nach der Kontrolle mit der Speziallupe. „Mit der Spezial-Paste mit Mandelkleie wird die verschlossene Kopfhaut geöffnet. Ein Tonikum – entweder als Spray, Shampoo oder Öl täglich verwendet – fördert mit der Kraft der Frucht Amela und 39 anderen, indischen Kräutern Durchblutung und Haarwuchs.“.

KONTROLLE. Anwendung und Erfolg werden regelmäßig im Institut kontrolliert. Die einzelnen Therapieschritte erfolgen mit der Körperpflege zu Hause. Dort beginnt Lena Leuthäuser auch regelmäßig zu meditieren. „Durch die Beratung wurde mir nämlich bewusst, dass ich doch einen ziemlich stressbelasteten Alltag habe. Dazu trägt nicht nur meine Beruf im Finanzamt bei, sondern auch die Pendelei zur Arbeit. Zweieinhalb bis zweidreiviertel Stunden kommen da am Tag locker zusammen. Die Meditations-CD von Frau Sidhu hat mir schnell geholfen, zum Feierabend zu Hause dann wirklich ‚herunterzukommen.“

UMSTELLUNG. Die Wirkung auf den Kopf stellt sich schneller ein als erwartet. „Bereits Ende Juni – also sechs Wochen nach Therapiebeginn – nahm ich das erste mal wahr, dass sich der Hausausfall normalisierte“, erzählt sie. „Und während ich dabei war mit Dinkelmehl und Mandelmilch meine Ernärhung umzustellen und mit den Haaranwendungen drei Mal die Woche die Kopfhaut und zweimal die Woche das Haar direkt zu pflegen, wurden die Büschel in Bürste und Ausguss immer kleiner.“

SICHTBAR. Bei einem Kontrolltermin im November 2017 kann dann Balvinder Sidhu erstmals per Computer-Mikroskop dokumentieren, dass die lichten Stellen zurückgegangen sind. „Anfangs ein wenig skeptisch erlebte ich ein Wunder: es piekste regelrecht unter der Kopfhaut. Nach sechs Monaten waren überall erste neue Haarspitzen sichtbar.“
ANHALTEND. So ermutigt setzt die Frau auch 2018 die Therapie konsequent weiter fort, macht noch zwei weitere, ayurvedische Enschlackungskuren, nutzt die Pflegeprodukte und kommt regelmäßig durch die Entspannungs-CD zur Ruhe. „Immer wenn ich zum Friseur ging, war der richtig begeistert, dass das Haar so anhaltend wächst“, strahlt sie.

BILANZ. Inzwischen kommen – so wie früher – ganz oft wildfremde Menschen auf Lena Leuthäuser zu, um – ohne Kenntnis der Vorgeschichte – die Lockenpracht zu bewundern. „Meine Kopfhaut sieht man nur noch, wenn das Licht ganz ungünstig steht. Das wird noch ein bisschen dauern. Aber schon jetzt schaue ich wieder gerne in den Spiegel und gehe selbstbewußt nach draußen. Es ist ein wunderbares Gefühl, wieder volles Haar zu haben.“
Info Haarausfall

Das schlauchartige Gebilde, in dem das Haar entsteht, heißt Follikel. Aus der Haut ragt nur das „tote“ Haar heraus, das am Folikelgrund – in der „Zwiebel“ – entsteht. Tatsächlich funktioniert die Haarzwiebel wie eine kleine, körpereigene Backstube, in der die Bestandteile zusammengesetzt werden. Ein paare Haare täglich in Bürste oder Kamm sind völlig normal. Doch jeder dritte Mann und jede zehnte Frau verlieren mehr als hundert Haare pro Tag. Und genau ab dann spricht man vom Haarausfall.

Warum zum Arzt? Haarausfall ist oft keine eigene Krankheit, sondern Symptom für eine andere Störung. Neben „harmloseren“ Belastungen wie hormonelle Veränderungen oder erbliche Veranlagung können auch körperliche oder seelische Belastungen, 60 verschiedene Hautkrankheiten, Entzündungen, Vergiftungen, Mangelerscheinungen, Störungen des Immunsystem und sogar Krebs dahinterstecken.
Was sind die häufigsten Ursachen? 30 bis 40 Prozent aller Frauen sind vom gleichen Haarausfall betroffen, unter dem 95 Prozent der Männer leiden: dem erblich bedingten. Verantwortlich ist eine angeborene Überempfindlichkeit der Haarwurzel gegen das körpereigene Hormon „Testosteron“.
Expertin Balvinder Sidhu (52), Leiterin des Kaya Veda Instituts in Augsburg:

Was verbirgt sich hinter Ayurveda? Vor über 4000 Jahren entwickelte sich das ganzheitliche Heilverfahren Ayurveda. Diese Medizin wird in Indien aber nach wie vor gelehrt und praktiziert. Die Lehre geht von drei Grundenergien (Doschas) aus. Ziel von Ayurveda – zu Deutsch ,Wissen vom Leben‘ – ist, das Gleichgewicht der Lebensenergie wieder herzustellen.
Was hat das mit den Haaren zu tun? Tatsächlich zeigen sich allgemeine, gesundheitliche Störungen häufig zuerst an Haut, Haar oder Nägeln. Im Ayurveda besteht jeder Mensch besteht aus Vata, Pitta und Kapha. Wohl und gesund fühlen wir uns nur, wenn diese drei Kräfte im Einklang sind. Zur Korrektur werden hauptsächlich Kräuterpräparate eingesetzt.

Wie lang dauert die Therapie und was kostet sie? Die Dauer ist bei jedem Menschen unterschiedlich , beginnt aber meist mit drei Monaten und kann bei totalem Haarverlust auch über ein Jahre dauern. Die individuellen Produkte kosten ab 200 Euro pro Monat. Die Gesamtkosten der Behandlung werden von der Krankenkasse nicht übernommen. Manchmal gibt es nach Abschluss aber einen Zuschuss.
Selbsttest: Welcher Ayurveda-Typ bin ich?
Der Vata-Typ: Sie haben eine trockene, sensibel Haut, leiden häufig unter einer schlechten Verdauung und Blähungen, haben gerne mal kalte Hände und Füße, sind eher untergewichtig und im Zweifel ängstlich.
Der Pitta-Typ: Sie sind eher ungeduldig, reagieren auch mal gereizt und wütend. Sie schwitzen leicht, haben eine warme, aber leicht unreine Haut. Sie essen gerne, leiden manchmal unter Sodbrennen. Sie haben öfter Kopfschmerzen
Der Kapha-Typ: Sie sind oft müde und fühlen sich antriebslos. Sie nehmen leicht zu, essen zuviel – dabei ist Ihre Verdauung eher träge. Sie mögen keinen Sport und lieben es, viel und lang zu schlafen.
Kontakt: Beratungsstudio Kaya Veda, Frölichstraße 8, 86150 Augsburg, Telefon: 0821- 567 45 00, Internet: www.kaya-veda.de
Hinweis: Bei der vorgestellten Patienten-Reportage handelt es sich um einen Einzelfall. Der Erfahrungsbericht erhebt nicht Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Therapieergebnisse sind generell individuell. Bitte beachten Sie, dass meine Artikel in keinem Fall eine Beratung durch den Arzt oder Apotheker ersetzen. Dieser Blog dient allein der medizinjournalistischen Information
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