Vielversprechende Erfahrung – Senföle und Laser bei Blasenentzündungen

Glassplitter. Das brennende Problem ersetzte jeden Wecker. Mitte 2021 wurde Alexandra Jakob (41, Name geändert) von heftigen Unterleibsschmerzen morgens um sechs aus dem Schlaf gerissen. „Noch nicht ganz wach, sprang ich auf und eilte zur Toilette. Als die ersten Harntröpfchen kamen, fühlte es sich an, als würden Glassplitter durch meinen Unterleib wandern. Und da fiel mir es wieder ein: 16 Jahre zuvor – als junges Mädchen – hatte ich schon mal eine Blasenentzündung gehabt!“

Verdacht. Alexandra Jakob kochte sich einen Blasen-Tee, rief dann gleich in ihrer Frauenarztpraxis an. „Ich hatte Glück, bekam für nachmittags einen Termin. Die Zeit bis dahin überbrückte ich mit einer Wärmflasche auf dem Bauch im Bett und trank viel.“

Schnelltest Die Gynäkologin bestätigte schnell Alexandras Verdacht: „Nach Auswertung der mitgebrachten Urin-Probe war klar, dass ich eine Blasenentzündung hatte. Mit einem Rezept für Antibiotika und einer zweitägigen Krankschreibung verließ ich die Praxis!“

Wiederholung. Alles sah nach reiner Routine aus: noch über Nacht klangen die Beschwerden dank der Erregerhemmer ab. Vergessen und vorbei war der Infekt aber nicht. „Statt 16 Jahre dauerte es diesmal 16 Wochen, bis es mich wieder erwischte. Nach dem Joggen hatte ich kurz auf einer kalten Bank gesessen. Gleich am nächsten Morgen wurde ich vom Feuer in der Blase geweckt!“, erzählt die ehemalige Arzthelferin.

Überweisung. Wieder ging die Frau aus Bonn zur Gynäkologin. Wieder bekam sie chemisch-synthetische Antibiotika verordnet. Und wieder klangen die Beschwerden ab, um bei nächster Gelegenheit aufzuflackern. Mal war es ein nasser Badeanzug. Dann ein geselliger Abend mit Freunden open-air im Garten.

Wende. „Nach fünf Infekten in sechs Monaten hatte ich die Nase voll. Von einer befreundeten MTA – einer medizinisch-technischen Assistentin – bekam ich den Tipp, mich an Frau Dr. Tapken im CUROS-Urologisches Zentrum Bonn-Mitte zu wenden.“

Diagnostik. „Tatsächlich behandeln viele gynäkologische Kolleginnen und Kollegen den Harnwegsinfekt bei Frauen einfach mit – obwohl es eigentlich ein urologisches Problem ist,“ weiß die Fachärztin für Erkrankungen der harnbildenen und – ableitenden Organen. „Das liegt auch daran, weil viele Patientinnen glauben, dass Urologen quasi das ,Gegenstück zum Gynäkologen‘ seien – also eine Art ‚Männerarzt‘. Das ist aber falsch!“

Geht es um die Niere, um organische Veränderungen des Speicherorgans Blase oder gar um eine Funktionsstörung des Beckenbodens ist das die Domäne der Urologie!

Bei Alexandra erfolgte eine genaue Diagnostik per Blasenspiegelung und per Ultraschall. Die in der Anamnese eher beiläufig erwähnten Zyklus-Unregelmäßigkeiten seit der Entbindung waren für Dr. Sigrid Tapken dann eine heiße Spur für die plötzliche Infektanfälligkeit der 41jährigen.

Häufigkeit. „Es gibt zwei klassische Häufigkeitspeeks der ,weiblichen’ Cystitis: Einmal zu Beginn der sexuellen Aktivität Anfang Zwanzig – Honeymoon-Cystitis. Dann mit hormonellen Schwankungen der Östrogene ab dem vierzigsten Lebensjahr. In beiden Fällen kommt es zur Irritation der Vagina. Die Barrierefunktion der Schleimhaut wird geschwächt; Fremdkeime haben es erheblich leichter, in die Blase einzudringen und sich dort einzunisten,“ erklärte die Ärztin ihrer Patientin.

Nebenwirkung. Das Dilemma: bei wiederholter Anwendung können Antibiotika das Problem durchaus verschlimmern: „Zum einen können Keime Resistenzen ausbilden, was dazu führt, dass Antibiotika immer schlechter gegen die bakteriellen Erreger wirken“, weiß die Ärztin.

Dysbalance. Zum anderen wird die natürliche Besiedelung des Darms – das so genannte Mikrobiom – durch die antibakteriell wirkenden Mittel aus dem Gleichgewicht gebracht. Eine Fehlbesiedlung kann die Folge sein. Dr. Tapken: „Der Darm ist nämlich auch Schulungszentrum für die Immunabwehr. Kommt es hier zur Schwächung, folgt ein Infektion dem nächsten – so wie Alexandra.“

Neufassung. Zur Vermeidung zunehmender Antibiotikaresistenzen wurden im Jahr 2017 in die neue Fassung der Ärzte-Leitlinie zur Behandlung von unkomplizierten Harnwegsinfektionen pflanzliche „Harnwegsdesinfizienzien“ wie Kapuzinerkresse und Meerettich aufgenommen. 

Kombination. Beide Heilpflanzen enthaltenen Senföle als antiinfektiv wirksame Substanzen. Diese Inhaltsstoffe, mit denen sich die Pflanzen gegen Fressfeinde schützen, sind antibakteriell, antiviral und sogar antientzündlich wirksam. Durch Kombination beider traditionsreicher Pflanzen und ihrer jeweiligen Senföle wird ein besonders großes Erregerspektrum erreicht.

Linderung. „Da bei unkomplizierten Harnwegsinfekten die Beschwerden primär durch die Entzündungsreaktion verursacht werden, ist es gut, dass die Senföle auch die Entzündungen abmildern“, erklärt Dr. Sigrid Tapken. „Dabei sind sie viel verträglicher als chemisch-synthetische Antibiotika, da die Phytotherapie notwendig schützenden Keime respektiert. Resistenzen gegen die Pflanzenstoffe auf Seiten der Bakterien sind bislang nicht bekannt. Studien belegen, dass die Senföle auch zur Vorbeugung eingesetzt werden können.“

Erregersuche. Damit die Urologin weiß, mit welchem Erreger sie es zu tun hat, wird trotzdem bei jedem Infekt eine Kultur angelegt. „Das funktioniert allerdings nicht wirklich gut mit dem mitgebrachten Harn im Twistoff-Gläschen“, erklärte sie Alexandra. „Der Ausgang der Harnröhre bei der Frau ist nicht steril. Deshalb führen mit dem Harn aus der Scheide gespülte Keime zu oft zum falsch-positiven Ergebnis. Generell besser funktioniert eine Mittelstrahl-Probe für die Keim-Kultur. Noch besser ist eine Probe, die per Katheter direkt aus der Blase entnommen wird.“

Da bis zum Ergebnis der Bakterienkultur bis zu drei Tage vergehen, war es wie bei Alexandra normal, ein so genanntes unspezifisches Breitband-Antibiotikum zu geben. „Davon rücken allerdings mehr und mehr Urologen ab. Stattdessen verordne ich vier mal drei Tabletten des Senfölgemischs Angocin. In Kombination einem einfachen Schmerzmittel – wie drei mal 400 Milligramm Ibuprofen – bekommen damit die Patienten bis zum Ergebnis der Keimkultur die Beschwerden gut in den Griff. In vielen Fällen ist gar der Infekt bereits zu Ende, wenn wir das Ergebnis des Tests bekommen. Bei den wenigen Patienten, die noch nicht geheilt sind, können dann wir mit gutem Gewissen ein spezifisches Antibiotikum verordnen.“

Vorbeugung. Der Vorteil für die Patienten: weniger resistente Keime, weniger Nebenwirkung – vor allem auf das Darm-Biom. Da Alexandra ebenfalls mit den Senfölen den Harnwegsinfekt in den Griff bekam, war das nächste Ziel die Stabilisierung der Schleimhaut. Dr. Tapken: „Zur Besserung des vaginalen Milieus stehen eine Vielzahl an  Cremés, Salben oder Zäpfchen zur Verfügung, die  oft schon ausreichend helfen. Von vielen Frauen wird diese Therapie allerdings als unangenehm empfunden; oder sie ist nicht erfolgreich; oder sie wird in Hinblick auf Krebs abgelehnt.“

Mikrobiologisch. Um auch hier zu helfen, setzt Frau Dr. Tapken seit mehr als zehn Jahren auf die Mikrobiologische Therapie. Dazu wird Darmflora durch Ernährungsumstellung stabilisiert und  mit definierten Prä- und Probiotika reguliert.  Optional kann außerdem ein Immuntherapeutikum eingesetzt werden.

Laser. Eine weitere, mit Studien gut belegte Therapie ist die vaginale Lasertherapie. Die Anwendung dauert fünf bis zehn Minuten und ist nahezu schmerzfrei. Die Urologin stellte Alexandra Jacob die Behandlung vor. „Der CO2-Laser sieht aus wie der Schallkopf beim Frauenarzt. Er wird in die Vagina eingeführt. Über einen Zeitraum von etwa fünf Minuten werden dann Laserimpulse auf das Gewebe abgegeben.“

Revitalisierung. Die Schleimhaut wird durch das energiereiche Licht besser durchblutet und vitalisiert. Sie baut wieder ihre normale Dicke und Abwehrfunktion auf. Erreger können nicht mehr so leicht in die Harnröhre gelangen. Die Barrierefunktion wird stabilisiert. Dr. Tapken: „Zusätzlich kommt es zu einer Vermehrung der Kollagenfasern – so das Ergebnis histologischer Untersuchungen. Das führt zu einem Lifting des Beckenbodens.“

Sanft. Ihren nächsten Blaseninfekt Anfang 2022 bekam Alexandra bereits mit viel Flüssigkeit (etwa zwei Liter Tee bzw. Wasser) und mit drei mal vier Tabletten des speziellen Meerrettich-Kapuzinerkresse-Gemisches in den Griff. „Die enthaltenen Senföle wirkten erstaunlich schnell – ohne dass ich mich hinterher geschwächt fühlte“, erzählt sie zufrieden. „Um besser über den Winter zu kommen, entschied ich mich dann im Oktober 2022 für den Laser-Eingriff.“

Erfahrung. Zweimal wurde die Bandlung im Abstand von sechs Wochen wiederholt – „gespürt habe ich beim Erbium-Laser nur ein Prickeln bzw. Pieksen.“, erzählt die Frau begeistert. „Auch danach gab es keine Auffälligkeiten.“

Stabil. So geriet das gesundheitliche Problem schnell in Vergessenheit. „Erst jetzt, nach einem viertel Jahr, habe ich zu meinem Erstaunen festgestellt, dass ich dieses Jahr noch gar keine Blasenentzündung hatte“, freut sich Alexandra. „Es wäre wunderbar, wenn das auch die nächsten 30 Jahre so bleibt!“

Info Blasenentzündung

Die ersten wärmenden Sonnenstrahlen – und schon drängt es alle nach draußen. Doch Vorsicht: das schönste Sonnenbad wird gerade für die Blase schnell zur Kältefalle. Oft reichen wenige Minuten auf einer kühlen Bank, um tagelang unter Harndrang, Schmerzen und Brennen beim Wasserlassen zu leiden.

Typisch „Eva“. Zehntausende werden in den nächsten Wochen akut an einer Blasenentzündung erkranken. Hauptauslöser sind E. Coli-Baktieren, die vom Darm die natürlichen Barrieren wie äußere und innere Schamlippen und die Schleimhaut überwinden und über die Harnröhre in die Blase einwandern.

Fünf Fragen an Dr. Sigrid Tapken, Fachärztin für Urologie, Bonn 

Warum werden gerade Frauen von Blasenentzündungen so oft heimgesucht? Frauen sind aufgrund ihrer hormonellen Disposition und  die kürzere Harnröhre einem größeren Infektionsrisiko ausgesetzt. Minderdurchblutung der Schleimhäute bei Unterkühlung – z. B. im Sommer durch nasse Badesachen –  und fehlender Schleimhaut-Pflege durch fehlende, gute Bakterien (durch übertriebene, falsche Intimhygiene)  steigt das Risiko weiter an.  Auch Intim-Rasur und „einschnürende“ Kleidung wie der „String“ schwächen die natürliche Barriere, die den Intimbereich vor Bakterien schützt. Vor allem Erreger vom Darm können dann rasch aktiv werden.

Warum ist der Einsatz von Antibiotika problematisch? Zwar bekommen Antibiotika die Keime – in zwei von drei Fällen E.coli-Bakterien – schnell in den Griff. Doch die chemisch-synthetischen Präparate haben oft erhebliche Nebenwirkungen auf den sensiblen Magen-Darm-Trakt und die schützende Vaginalflora. Gute Keime werden weniger, aggressive breiten sich aus. Auch das begünstigt den nächsten Infekt. So kehrt die „Cystitis“ bei jeder vierten bis fünften Frau zurück.

Welche Bedeutung haben die neuen Behandlungsleitlinien? Solche medizinische Leitlinien sind Empfehlungen für den Arzt, die ihn bei der Behandlung seiner Patienten unterstützen. Sie liefern grundlegende Informationen zur Diagnostik und zeigen auf, zu welchen Behandlungsmöglichkeiten klinische Studien mit hoher Aussagekraft vorliegen

Was kann ich bei einer Blasenentzündung selber tun? Sofern kein Fieber vorliegt und die Nieren nicht bereits angegriffen sind, rate ich meinen Patienten, den Infekt ruhig erst einmal mit den pflanzlichen Präparaten und viel Trinken selbst zu behandeln. Vorteil hierbei ist, dass die Therapie oft viele Stunden früher beginnen kann, als wenn sie darauf warten müssen, bis ein Arzt ein Rezept ausstellt. Zudem wird die Phytotherapie deutlich besser vertragen und Resistenzen werden vermieden.

Wann sollte ich zum Urologen? Wer zwei Mal in sechs Monaten bzw. drei Mal pro Jahr unter lästigem Brennen und Schmerzen beim Wasser lassen leidet, sollte zum Spezialisten. Nicht selten ist die Drangblase das einzige Symptom und sollte urologisch abgeklärt werden. Hier könnte eine organische Schwäche Auslöser sein. Medikamente allein helfen dann nicht weiter. Es müssen organische Ursachen wie Fehlbildungen, Blasentumore, Blasensteine oder Blasenfunktionsstörunen als Ursache ausgeschlossen werden. Und selbstverständlich gehört zur jeder Abklärung eines wiederholten Harnwegsinfekt auch die Untersuchung der Stuhlflora und der Vaginalschleimhaut.

Info Antibiotika-Resistenz

Es war die Sternstunde der modernen Medizin: die zufälltige Entdeckung der Antibiotika 1926. Abermillionen Patienten verdanken Bakterienkillern wie Penicillin, Streptomycin, Aureomycin oder Tetracyclin ihr Leben. Jeder vierte Patient bekommt mindestens einmal pro Jahr Antibiotika verordnet – das sind mehr als 18 Millionen Deutsche.

Doch jetzt droht Gefahr: Immer mehr Erreger reagieren nicht mehr auf die Mittel. Denn mit jeder Einnahme steigt leider die Zahl der resistenten Keime in unserem Körper. Die einstige Wunderwaffe gegen Bakterien verliert so zunehmend ihre Wirkung. So lang ständig neue Antibiotika in die Apotheke kamen, war das alles noch kein Problem. Doch in letzter Zeit werden kaum noch neue Erregerstopper zugelassen. Und die Labor-Pipelines sind leer. Kaum ein großer Mediziner-Kongress, auf dem nicht vor Resistenzen gewarnt wird. 

Hilfe bietet hier die Wiederentdeckung der mikrobiologische Therapie und pflanzlicher Antibiotika. Traditionell hat sich Kapuzinerkresse in Kombination mit Meerrettich bei der Behandlung von Infektionen der Harnwege, der Atemwege und der Nasennebenhöhlen außerordentlich gut bewährt. Die beiden Heilpflanzen verstärken sich gegenseitig in ihrer Wirkung.

Im Gegensatz zu chemischen Antibiotika wirken die Senföle nicht nur gegen Bakterien, sondern auch gegen Viren und zusätzlich antientzündlich. Darüber hinaus töten sie nicht die für die Verdauung und Immunabwehr nützlichen Darmbakterien ab.

Bakterienresistenzen gegen die Senföle wurden selbst bei Langzeitgaben der Pflanzenstoffe bislang nicht beobachtet. Bei akuten Beschwerden gibt es standardisierte Präparate in der Apotheke.

Je nach Schweregrad des Infektes nehmen Sie drei- bis fünfmal täglich vier bis fünf Filmtabletten unzerkaut mit etwas Flüssigkeit nach den Essen  ein. Zur Vermeidung von wiederkehrenden Blasenentzündungen empfehlen Experten vier Tabletten zur Nacht oder  zweimal täglich zwei Filmtabletten – ebenfalls am besten nach dem Essen.

Infos Senföle: www.pflanzliche-antibiotika.de

Arztkontakt: CUROS – Urologisches Zentrum Bonn-Mitte, Dr. Sigrid Tapken, Fachärztin für Urologie und Urogynäkologie,  Quantiusstraße 21, 53115 Bonn, Tel. 0228/2072604, http://www.urologin-tapken.de

Kosten: Ein Erstgespräch (30 Min.) liegt etwa bei 40 Euro, 200 Tabletten ANGOCIN Anti Infekt N ca. 25 Euro. Der Laser wird nach Aufwand abgerechnet und liegt derzeit pro Behandlung bei circa 400 Euro

© medizin-reporter.blog/André Berger

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About André Berger

Geboren in Hamburg. 1986-1990 freier Reporter. 1991 Redakteur Heinrich Bauer Verlag. Seit 1992 freier Medizinreporter Meine Arzt- & Patienten-Reportagen (Text & Fotos) erscheinen regelmäßig in den großen, wöchentlichen Publikums- und Frauenzeitschriften des Burda-Verlags, der Funke-Gruppe und des Bauer Verlages