Unangenehm. Das brennende Problem kehrte wie eine schlechte Erinnerung zurück. Ende 2021 wurde Brigitte Koch (Name geändert) von äußerst unangenehmen Unterleibsschmerzen morgens aus dem Schlaf gerissen. „Sprichwörtlich von der Tarantel gestochen, sprang ich aus dem Bett, eilte zur Toilette. Bei den erste Tropfen fühlte es sich an, als würden Glassplitter durch die Harnröhre rollen. Und da fiel es mir wieder ein: 30 Jahre zuvor – als junge Frau – hatte ich das schon mal gehabt: Blasenentzündung.“
Routine. Die Kosmetikerin aus Oberbayern kochte sich erstmal einen Tee, rief danach ihren Hausarzt an und bekam noch für vormittags einen Termin. „Die Zeit überbrückte ich mit einer Wärmflasche auf dem Bauch und viel Trinken. Der Allgemeinmediziner bestätigte meinen Verdacht: Nach der Urinprobe war klar, dass ich eine so genannte Zystitis hatte. Mit einem Antibiotika-Rezept und einer Krankschreibung verließ ich kurz darauf die Praxis – alles sah aus, als wäre es reine Routine.“
Erwischt. Dank der Breitbrand-Antibiose klangen die Beschwerden bei der 52jährigen quasi über Nacht ab. Doch vergessen und vorbei war der Infekt nicht. „Statt 30 Jahre dauerte es diesmal bloß knapp 30 Tage, bis es mich das nächste Mal erwischte. Beim Sport hatte ich kurz auf einer kalten Bank gesessen. Gleich am nächsten Morgen wurde ich erneut vom Feuer in der Blase geweckt!“, erzählt Brigitte Koch.
Überweisung. Wieder ging die Frau zum Hausarzt, wieder bekam sie chemisch-synthetische Antibiotika. Und wieder klangen die Beschwerden ab, um bei nächster Gelegenheit aufzuflackern. „Mal war es ein nasser Badeanzug; dann eine Fahrradtour. Oder ein geselliger Abend im Biergarten. Nach sieben Infekten in sechs Monaten hatte ich die Nase voll. Genau so klagte ich es meiner Gynäkologin, Dr. Anja Maria Engelsing, beim nächsten Routinetermin.“
Heiße Spur. Organische Veränderungen des Speicherorgans oder gar eine Funktionsstörung des Beckenbodens konnte die Fachärztin für Gynäkologie, die sich mit ihrer Praxis in Bad Feilnbach (nahe Rosenheim) niedergelassen hat, rasch per Ultraschall ausschließen. Dafür entpuppten sich die in der Anamnese eher beiläufig erwähnten Zyklus-Unregelmäßigkeiten als eine erste „heiße Spur“ bei der Ursachensuche.
Irritationen. „Es gibt zwei klassische Häufigkeitspeaks der ,weiblichen’ Zystitis: Einmal mit Beginn der sexuellen Aktivität Anfang Zwanzig. Dann mit Einsetzen des hormonellen Wechsels und Nachlassens der Östrogen-Produktion Ende Vierzig bis Anfang Fünfzig. Der sinkende Hormonspiegel führt unter anderem zu einer Ausdünnung der Döderlein-Flora . Die Reduktion dieses Bakterien-Stamms begünstigt Irritationen der Barrierefunktion der Scheide. Durch die geschwächte Schleimhaut können schädliche Keime leichter über äußere und innere Vulva in die Harnröhre und von dort in die Blase vordringen und sich einnisten,“ klärt die Ärztin ihre Patientin auf.
Resistenzen. Das Dilemma: Wiederholte Anwendungen von Antibiotika können das Problem noch verschlimmern: „Zum einen können die Bakterien in der Blase Resistenzen ausbilden, was dazu führt, dass Antibiotika immer öfter gegen die bakteriellen Erreger wirkungslos bleiben“, so die Ärztin mit Schwerpunkt Naturheilverfahren und Homöopathie.
Fehlbesiedelung. Zum anderen wird die natürliche Besiedelung der körpereigenen Schleimhäute – das so genannte Mikrobiom – durch die antibakteriell wirkenden Mittel nachweisbar geschwächt. In Folge kann es zur Fehlbesiedlung kommen, so dass unser Körper immer schlechter vor krankmachenden Keimen geschützt wird. Häufige Rückfälle bis hin zur sogenannten Chronifizierung werden durch die schlechte Barrierefunktion begünstigt.
Neuerung. Zur Vermeidung zunehmender Antibiotikaresistenzen wurden in die Ärzte-Leitlinien zur Behandlung von unkomplizierten Harnwegsinfektionen vor wenigen Jahren pflanzliche „Harnwegsdesinfizienzien“ wie Kapuzinerkresse und Meerrettich aufgenommen.
Wirksam. Beide tradtionellen Arzneipflanzen enthaltenen Senföle. Diese Inhaltsstoffe, mit denen sich die Pflanzen gegen Fressfeinde schützen, sind antibakteriell, antientzündlich und sogar antiviral wirksam. Durch Kombination beider Pflanzen mit ihren enthaltenen Senfölen können dabei besonders viele verschiedene Erreger bekämpft werden.
Verträglicher. „Da bei unkomplizierten Harnwegsinfekten primär durch die Entzündungsreaktion verursachte Schmerzen im Vordergrund stehen, können Senföle auch hier nachgewiesen helfen, erklärt Dr. Anja Maria Engelsing. „Dabei zeigen sie sich viel verträglicher als chemisch-synthetische Antibiotika und schädigen nicht die nützlichen Bakterien unserer Darmflora. Resistenzen gegen die Pflanzenstoffe auf Seiten der Bakterien sind bislang nicht bekannt. Studien belegen, dass die Senföle deshalb auch zur Vorbeugung von erneuten Blasenentzündungen längerfristig eingesetzt werden können.“
Stabilisierung. Der nächste Therapieschritt von Doktorin Engelsing zielt auf die Stabilisierung der weiblichen Schleimhaut ab. Die Gynäkologin: „Zur Besserung des vaginalen Milieus stehen eine Vielzahl von lokal wirksamen, niedrigdosierten, östrogenhaltigen Cremes, Salben oder Zäpfchen zur Verfügung, die oft schon ausreichend unterstützen. Von einigen Frauen wird diese Therapie allerdings als unangenehm empfunden; oder sie ist nicht erfolgreich; oder sie wird in Hinblick auf Krebs abgelehnt.“
Bewährt. Auch hier versucht die bekannte Buchautorin zu helfen, setzt dazu gerne komplementär auf die Naturheilkunde. „Statt hormonell kann man auch versuchen die Scheidenflora mit Heublumen-Dampfbädern zu stabiliseren“, listet die Ärztin auf. „Naturjoghurt ist zwar ein Ammenmärchen, doch Milchsäurebakterien in Vaginalkapseln oder rechtsdrehender Manosezucker zum Schlucken haben sich in meiner Praxis durchaus vorbeugend bewährt.
Bekannt. Im Akutfall wirken Fußbäder mit Rosmarin, Sitzbäder mit Ringelblume und Leib- und Nierenwickel ebenfalls lindernd. Außerdem wichtig: viel trinken, um die Erreger möglichst schnell aus der Blase herauszuspülen. Dr. Engelsing: „Gute Erfahrungsberichte liegen mir dabei für Goldrute-, Zinnkraut-, Beerentraubenblätter- und Brennnessel-Tee vor.“
Sanft. Den nächsten Blaseninfekt Ende letzten Jahres bekam Brigitte mit viel Trinken (etwa zwei Liter Tee bzw. Wasser) „und mit drei mal vier Tabletten des einzigartigen Meerrettich-Kapuzinerkresse-Gemisches selbst in den Griff. Die enthaltenen Senföle wirkten erstaunlich schnell – ohne mein Immunsystem in Mitleidenschaft zu ziehen“, erzählt sie zufrieden. „Außerdem achtete ich darauf, zum Beipiel mit dicken Socken meinen Körper vor Auskühlung zu schützen.“
Selbstschutz. Fasziniert von der Kraft der Pflanzen und deren wunderbaren Möglichkeiten fing die Kosmetikerin selbst an, sich auf dem Gebiet der Pflanzen- und Heilkräuterkunde zu informieren und eigene Pflegeprodukte zu entwickeln, um die Barrierefunktion zu stabilisieren. „Dazu kreierte ich eine eigene Veilchencreme mit Rosenöl und eine Intimpflege mit Rotklee-Extrakt“.
Stabil. So geschützt gerieten die Therapien ohne Antibiotika schnell in Vergessenheit. „Jetzt, nach weiteren sechs Monaten, habe ich zu meinem Erstaunen festgestellt, dass ich dieses Jahr noch gar keine Blasenentzündung hatte“, freut sich Brigitte. „Es wäre wunderbar, wenn das auch die nächsten 30 Jahre so bleibt!“
Hotspot Blase
Die ersten wärmenden Sonnenstrahlen – und schon drängt es alle nach draußen. Doch Vorsicht: Das schönste Sonnenbad wird gerade für die Blase schnell zur Kältefalle. Oft reichen wenige Minuten auf einer kühlen Bank, um tagelang unter Harndrang, Schmerzen und Brennen beim Wasserlassen zu leiden.
Typisch „Eva“. Zehntausende werden in den nächsten Wochen akut an einer Blasenentzündung erkranken. Hauptauslöser sind E. Coli-Bakterien, die vom Darm die natürlichen Barrieren wie äußere und innere Schamlippen und die Schleimhaut überwinden und über die Harnröhre in die Blase einwandern.
Drei Fragen an Dr. Anja Maria Engelsing (54) Fachärztin für Gynäkologie mit Schwerpunkt Naturheilkunde
Warum werden gerade Frauen von Blasenentzündungen so oft heimgesucht? Frauen erkranken aufgrund der Anatomie des weiblichen Intimbereichs, insbesondere der kürzeren Harnröhre und der Mündung in den Scheidenvorhof und der hormonellen Disposition deutlich häufiger. Unterkühlungen – z. B. im Sommer durch nasse Badesachen – schwächen den Barriereschild „Schleimhaut“, der den Intimbereich vor Bakterien schützt. Vor allem Erreger vom Darm – E.coli-Bakterien – können so leichter aktiv werden.
Warum ist der Einsatz von Antibiotika problematisch? Zwar bekommen Antibiotika die Keime – wie gesagt in zwei von drei Fällen E.coli-Bakterien – schnell in den Griff. Doch die chemisch-synthetischen Präparate haben oft erhebliche Nebenwirkungen auf den sensiblen Magen-Darm-Trakt und die schützende Vaginalflora. Positive Mikroorganismen werden weniger, aggressive breiten sich aus. Auch das begünstigt den nächsten Infekt. Deshalb kehrt die „Zystitis“ bei jeder vierten bis fünften Frau zurück.
Hinzu kommt, dass Antibiotika laut den Leitlinien nur noch eingesetzt werden sollen, wenn es wirklich notwendig ist. Damit diese Medikamente-Gruppe ihre Wirksamkeit nicht verliert (s. Kasten Resistenzen).
Was kann ich bei einer Blasenentzündung selber tun? Sofern kein Fieber vorliegt und die Nieren nicht betroffen sind, rate ich meinen Patienten, den Infekt ruhig erst einmal mit der Kombination von antibakteriell wirksamen pflanzlichen Senfölen aus Kapuzinerkresse und Meerrettich und genügender Trinkmenge selbst zu behandeln.
Vorteil ist, dass die Therapie oft viel früher beginnen kann, als wenn sie darauf warten müssen, bis ein Arzt ein Rezept ausstellt. Zudem wird die Senföltherapie deutlich besser vertragen und Resistenzen werden vermieden.
Ganz wichtig: Die Selbstbehandlung findet ihre Grenzen bei Fieber über 38 Grad, Schmerzen seitlich unter den Rippen, anhaltender Blutbeimengung im Urin oder über fünf Tagen anhaltende Schmerzen beim Wasserlassen. Dann ist ein Arztbesuch dringend notwendig!
Info Antibiotika-Resistenz
Es war die Sternstunde der modernen Medizin: die zufälltige Entdeckung der Antibiotika 1926. Abermillionen Patienten verdanken Bakterienkillern wie Penicillin, Streptomycin, Aureomycin oder Tetracyclin ihr Leben. Jeder vierte Patient bekommt mindestens einmal pro Jahr Antibiotika verordnet – das sind mehr als 18 Millionen Deutsche.
Doch jetzt droht Gefahr: Immer mehr Erreger reagieren nicht mehr auf die Mittel. Denn mit jeder Einnahme steigt leider die Zahl der resistenten Keime in unserem Körper. Die einstige Wunderwaffe gegen Bakterien verliert zunehmend ihre Wirkung.
Das Problem: So lang ständig neue Antibiotika in die Apotheke kamen, war das Thema „Resistenz“ zu vernachlässigen. Doch in letzter Zeit werden kaum noch neue Erregerstopper zugelassen. Und die Labor-Pipelines sind leer. Kaum ein großer Mediziner-Kongress, auf dem nicht vor Resistenzen gewarnt wird.
Hilfe bietet hier die Wiederentdeckung der mikrobiologischen Therapie und pflanzlicher Antibiotika. Traditionell hat sich Kapuzinerkresse in Kombination mit Meerrettich bei der Behandlung von Infektionen der Harnwege, der Atemwege und der Nasennebenhöhlen außerordentlich gut bewährt. Die beiden Heilpflanzen verstärken sich gegenseitig in ihrer Wirkung.
Hintergrund Senföle
Im Gegensatz zu chemischen Antibiotika wirken die Senföle nicht nur gegen Bakterien, sondern auch gegen Viren und zusätzlich antientzündlich. Darüber hinaus töten sie nicht die für die Verdauung und Immunabwehr nützlichen Darmbakterien ab.
Bakterienresistenzen gegen die Senföle wurden selbst bei Langzeitgaben der Pflanzenstoffe bislang nicht beobachtet. Bei akuten Beschwerden gibt es standardisierte Präparate in der Apotheke.
Je nach Schweregrad des Infektes nehmen Sie drei- bis fünfmal täglich vier bis fünf Filmtabletten unzerkaut mit etwas Flüssigkeit nach dem Essen ein. Zur Vorbeugung von wiederkehrenden Blasenentzündungen empfehlen Experten vier Tabletten zur Nacht oder zweimal täglich zwei Filmtabletten – ebenfalls am besten nach dem Essen.
Hintergrund Schleimhaut
Vermutlich ist sie der meist unterschätzte „Held“ unseres Körpers – die Schleimhaut. Denn im Vergleich zur Haut mit ihren knapp zwei Quadratmetern Oberfläche, stellt die Schleimhaut mit mehr als 400 Quadratmetern Oberfläche die wichtigste Barriere des Menschen zur Außenwelt dar.
Ohne Schleimhaut von der Nase bis in die Bronchien, vom Mund bis zum Darm, in der Blase und den Fortpflanzungsorganen würden wir nicht nur umgehend austrocknen, der Mensch wäre Krankheitserregern schutzlos ausliefert. Um ein Eindringen von Viren, Bakterien, Pilzen und anderen Keimen zu verhindern, greift die Schleimhaut dabei auf eine Trick zurück: Sie lässt sich besiedeln. Von harmlosen Mikroorganismen. Experten schätzen, dass sich rund eine Billiarde Mikroorganismen auf uns tummeln. All diese Kleinstlebewesen brauchen wir, um gesund zu bleiben. Der richtige Mix hilft Krankheitserreger abzuwehren. Die ersten erhalten Neugeborene von ihren Müttern.
Fünf kurze Fragen – „Habe ich eine Blasenentzündung?“
- Leiden Sie vermehrt unter Harndrang?
- Leiden Sie unter Schmerzen oder Brennen beim Wasserlassen?
- Können Sie trotz des Drangs nur wenige Tröpfen absetzen?
- Haben Sie krampfartige Schmerzen beim oder nach dem Wasserlassen?
- Riecht der Urin oder ist er trübe verfärbt?
Mit jeder positiven Antwort steigt das Risiko, dass Sie an einem Harnwegsinfekt leiden. Wichtige Ab-zum-Doktor-Symptome sind Blut im Urin, Fieber und seitliche Schmerzen. Dann kann sich der Infekt bis zu den Nieren ausgebreitet haben.
Infos Senföle: www.pflanzliche-antibiotika.de
Arztkontakt: Praxis für Gynäkologie und Geburtshilfe, Dr. Anja Maria Engelsing, Kirchgasse 3, 83075 Bad Feilnbach/Dettendorf, Tel. 08064/9195, www.wege-zum-heilsein.de
Hinweis: Bei der vorgestellten Patienten-Reportage handelt es sich um einen Einzelfall. Der Erfahrungsbericht erhebt nicht Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Therapieergebnisse sind generell individuell. Bitte beachten Sie, dass meine Artikel in keinem Fall eine Beratung durch den Arzt oder Apotheker ersetzen. Dieser Blog dient der medizinjournalistischen Information.
© medizin-reporter.blog/André Berger