Jetzt kann ich mich wieder so frei bewegen, wie ich es möchte

hueftpatientin_imgartenEinschränkung. Ohne Bewegung ist für Johanna Harter (54) alles nichts. Die Berge. Flamenco-Musik. Das Fahrrad vor der Haustür. Selbst das kleine Gewächshaus mit den Strauchtomaten, das sich direkt am steilen Hang vor ihrer Wohnung befindet. „Wie sehr die Beschwerden in den letzten zehn Jahren mein Leben verändert hatten, begriff ich abschließend erst mit der neuen Hüfte. Seit ich jetzt wieder schmerzfrei wandern, tanzen, radfahren und gärtnern kann, ist mir klar, wie extrem ich mich bereits mit dem Verlust der Beweglichkeit arrangiert hatte.“

Tapfer. Dagegen hatte Johanna Harter vorm OP-Termin im November 2015 manchmal das Gefühl, dass es undankbar wäre, das eigene Schicksal zu beklagen. Normal hätte die Bankkauffrau nämlich viel früher unter dem Verschleiß der Hüfte leiden müssen.

diagnose_roentgen2Angeboren. „Ohne es zu wissen, lief ich seit frühester Kinderheit beidseitig mit einer ,Hüftdysplasie’ herum. Da der Gelenkkopf des Oberschenkels nicht richtig in der Gelenkpfanne des Beckens rotierte, war bei mir mit Anfang Zwanzig der Knorpel an einer Stelle so verschlissen wie bei einer 70-Jährigen.“

Korrektur. Johanna Harter hatte Glück: beim ersten Auftreten von Beschwerden schickte der Orthopäde sie in eine Spezialklinik – vom Heimatort Gengenbach (nahe Offenburg) knapp 100 Kilometer entfernt. „Dort wurde erst links und ein Jahr später rechts eine Umstellungs-Operation gemacht. Danach passten Kopf und Pfanne des Gelenks wieder besser ineinander. Die Druckbelastung des Knorpels wurde neu verteilt – und ich gewann immerhin fast ein viertel Jahrhundert Schmerzfreiheit!“

hueftpatientin_tomatenzuchtEinschränkung. Irgendwann allerding kehrte das Brennen in der Hüfte, das Gefühl des Eingerostetseins und der Blockade zurück. Zunächst betraf es nur langes Stehen (z.B. beim Open-Air-Konzert). Dann strich Johanna Harter Wanderungen über acht Kilometer von der Liste. Am Ende musste gar die Leidenschaft für den Flamenco-Tanz daran glauben.

Auslöser. „Der finale Grund, mich noch einmal an die Spezialklinik zu wenden, in der ich vor über über 30 Jahren operiert worden war, war allerdings viel profaner“, erzählt die Frau. „Im September letzten Jahres wollte ich unsere Abfalltonne dem Müllwagen entgegenschieben – im Ganzen höchstens 25 Meter. Doch ich konnte nicht. Mitten in der Bewegung fror ich quasi ein, musste dem Entsorgungsfahrzeug hilflos hinterher schauen – in diesem Moment wusste ich, dass es so nicht mehr weiter geht!“

diagnose_roentgenbefundSpezialist. In der Spezialklinik haben die Ärzte drei Nachrichten für ihre Patientin – eine schlechte und zwei gute. Die Schlechte: auf der linken Seite ist die Hüfte so weit zerstört, dass bereits Knochen auf Knochen scheuert. Die guten Nachrichten: Trotz Voroperation kann das Gelenk problemlos durch eine Prothese ersetzt werden. Dafür braucht Johanna Harter nicht einmal weit fahren. Direkt im Heimatort Gegenbach ist der renommierte Chirurg Dr. Bruno Schweigert (60) am Orthenau Klinikum tätig. Er hat sich auf den Ersatz von vorgeschädigten Gelenken spezialisiert.

demonstration_prothese4Innovation. Umgehend rief ich in der Orthopädischen Klinik am Ortenau Klinikum an“, sagte sie. „Bei der Voruntersuchung beruhigte mich Dr. Schweigert, dass die aktuelle 20-Jahre-Haltbarkeit des von ihm eingesetzten Kunstgelenks bei 93 Prozent liegen würde. Außerdem empfahl er mir bei der Pfanne einen so genannten Vitelene-Einsatz.“

Radikalenfänger. Das besondere am neuen Knorpelersatz aus Polyethylen: Er enthält Vitamin E. Bei der Herstellung wird der antioxidativ wirkende Vitalstoff, den jeder Mensch braucht und der eigentlich über die Nahrung zur Verfügung gestellt wird, mit Polyethylenpulver zur Spezialschale gepresst und vernetzt. Darin läuft der neue Gelenkkopf von der Oberschenkelprothese. Das eingebundene Vitamin E verhindert vor Ort im Gewebe das Entstehen von so genannten Stoffwechsel-Radikalen, die die Haltbarkeit einer Prothese verkürzen können.

prothese_vitamine2Festigkeit. „Hinzu kommt: der Kopf der Prothese ist aus Spezialkeramik und damit extrem verschleißarm“, überzeugt Dr. Schweigert seine Patientin. „Dank des großen Kopfdurchmessers ist die frühere Gefahr des Auskugelns gebannt.“

Operation. Der Eingriff bei Johanna Harter Ende 2015 dauert nur eine gute Stunde. Gleich am nächsten Tag kann sie das erste Mal aufstehen. „Zwar hatte ich noch Wundschmerzen, doch der Punktschmerz in der Hüfte war sofort weg,“ blickt sie zurück. „Die nächste Zeit wurden dann die Unterarmstützen zu meinen Begleiter. Für das optimale Einheilen des Gelenkersatzes sollte das Bein maximal mit 20 Kilo belastet werden.“

hueftpatientin_beweglichkeit2Reha. Noch in der Klinik beginnt dann die Physiotherapie. Die wird auch konsequent weiter fortgesetzt, als Johanna eineinhalb Wochen nach OP wieder Hause kann. „Jeden Tag übte ich im Treppenhaus mindestens eine halbe Stunde. Schon bald ging es mir deutlich besser als vor der OP“, strahlt sie.

Traum. Wie erfolgreich der Eingriff im Orthenau Klinikum wirklich ist, realisiert sie allerdings erst Anfang Februar vollständig – während der „Fasend“, der Fastnacht. Überall die Gengenbacher Hexen und mitten drin unser langjähriges Narrenzunft-Mitglied. „Beim spontanen Tanz mit den Hexen am Rosenmontag wurde es mir richtig bewusst: Es tut gar nichts mehr weh. Endlich kann ich mich wieder völlig frei bewegen – ein Augenblick, den ich mein Leben lang nicht vergessen werde.“

 

Fünf Fragen an den Orthopäden Dr. Bruno Schweigert (60)

 experte_prothesenmodell3Ich habe nur nach Belastung Schmerzen – muss ich zum Arzt? Die einfache Formel für die erfolgreiche Arthrose-Therapie lautet: Je früher, desto besser. Zwar können wir Ärzte den Knorpelverschleiß nicht rückgängig machen. Doch den Krankheitsverlauf können wir erheblich beeinflussen. Unbehandelt verschlimmert z.B. die klassische Schonhaltung nicht nur das verschlissene Gelenk, sondern sorgt für Schäden an weiteren Gelenken.

„Droht“ mir gleich ein neues Gelenk? Wer nur geringen Verschleiß und kaum Bewegungseinschränkungen hat, braucht keine künstliche Hüfte, sondern vor allem einen guten Physiotherapeuten und einen festen Willen!

Fakt ist: In den Stadien 1 – Schmerzen bei Überlastung – und 2 – erste Anlaufschmerzen – helfen Gymnastik, Walking, gesunde Ernährung und Normalgewicht am Besten. Um eine aktive Arthrose zu beenden, kann der Arzt noch antientzündliche Medikamente verordnen, wie Ibuprofen oder Diclofenac.

kontrolle_beweglichkeitApropos Tabletten: Was halten Sie von Vitamin E? Auch Vitamin E, Teufelskralle, und Gelatine haben bei der anfänglichen Arthrose ihre Berechtigung. Genauso wie die „alternativen“ Hyaluronsäure-Injektionen, die die Gleiteigenschaften des Gelenks verbessern. Andererseits: In den Stadien drei – Ruhe – und Nachtschmerzen – und vier – Gehunfähigkeit – stoßen konservative Therapien an ihre Grenzen.

endoprothetik_anaesthesieWann ist dann der optimale Zeitpunkt für eine Künstliche Hüfte? Früher galt aufgrund der begrenzten Haltbarkeit: je später, desto besser. Heute entscheidet dagegen die Lebensqualität der Patienten.Grund: Aktuell liegt die 20-Jahre-Haltbarkeit bei 93 Prozent. Deshalb wird jede fünfte der jährlich rund 232000 Hüftprothesen bereits jungen Patienten zwischen 40 und 59 Jahren eingesetzt. 74 Prozent sind älter als 65 Jahre. Dazu setzen wir vor allem auf Standard- und Kurzschaftprothesen mit Keramik- und Polyethylen-Gleitpaaren.

Arthrose: So beugen Sie richtig vor

roentgen_hueftarthroseNach Verschleiß des Kniegelenks („Gonarthrose“) ist die Arthrose des Hüftgelenks zweithäufigste Ursache für Gelenkschmerzen. Typisch: ein Ziehen in der Leiste, das auf die Oberschenkel-Innenseite ausstrahlt. Experten schätzen, dass pro Jahr rund 170000 Deutsche an einer Coxarthrose neuerkranken.

hueftpatientin_fahrradBewegung: Wie ein Schwamm zieht sich der Knorpel bei jeder Bewegung seine Nährstoffe aus der Gelenkflüssigkeit. Gelenkschonender Sport (Walking, Aquagymnastik oder Yoga) verbessern nachweisbar die Knorpelstruktur.

Entlastung: Nicht nur der Abbau von Übergewicht schützt, auch rücken- und gelenkschonendes Heben, körpernahes Tragen (z.B. Rucksack) und flache Schuhe vermeiden Knorpel-Überlastungen.

Haltung: Achten Sie auf eine aufrechte Haltung und unterbrechen Sie sitzende Tätigkeiten öfter.

 

diagnostik_roentgenInfo: So schützt gesunde Ernährung die Gelenke

Unser täglich Brot entscheidet mit über den Verlauf der Arthrose. Durch die richtige Ernährung löschen Sie die Entzündung, entlasten die Gelenke: nähren den Knorpel.

selbsthilfe_ernaehrungObst & Gemüse wirken abschwellend. Die enthaltenen Vitamine fangen zerstörerische Stoffwechselendprodukte ein. Auch sorgen sie für einen ausgeglichen Basen-Haushalt.

Arachidonfettsäuren befeuern die Entzündung. Da Leberwurst, Eigelb, Schweineschmalz und Schweinefleisch davon viel enthalten, sollten Sie sie meiden.

Getreide stärkt mit dem Zink- und Vitamin B6-Reichtum den Knorpel. Auch gut: Weizenkeime (Vitamin E). Lachs und Hering enthalten viel Omega-3-Fettsäuren. Beides wirkt einer Entzündung entgegen.

Der Arzt: Stabiler Knochen gibt Halt

experte_drbrunoschweigertDr. Bruno Schweigert hat in seinem Berufsleben bereits mehr als 6500 künstliche Gelenke eingesetzt. Seit zehn Jahren ist der 60jährige, gebürtige Brasilianer Chefarzt für „Spezielle Orthopädie“ am Ortenau Klinikum.

Spezialisiert: Die Wahl des jeweiligen Implantats richtet sich vor allem nach dem Stadium der Arthrose sowie der Festigkeit des Knochens. Bei stabilen Knochen können Pfanne und Schaft ohne „Knochenzement“ in Hüft- bzw. Oberschenkelknochen verankert werden. Die Haltbarkeit wird dadurch besser. Ganz wichtig für jeden OP-Erfolg ist aber auch die anschließende Reha, bei der die Muskulatur aufgebaut wird.

diagnostik_roentgenbildSchnelltest: „Habe ich Arthrose?“

  1. Müssen Sie sich bei der Arbeit häufig bücken oder gar hinknien?
  2. Haben Sie starkes Übergewicht?
  3. Kommen Sie weniger als zweimal pro Woche durch Bewegung ins Schwitzen?
  4. Gibt es in Ihrer Familie Fälle von vorzeitiger Arthrose?
  5. Hatten Sie schon einmal eine Gelenkverletzung?

Auswertung: Jedes Ja steigert Ihr Risiko, Probleme mit den Gelenken zu bekommen. Sie sollten so schnell wie möglich einer Zerstörung der Bio-Scharniere vorbeugen. Bei bereits bestehenden Schmerzen ist bald möglichst ein Besuch beim Facharzt angebracht. Besprechen Sie mit ihm, was man gegen den Gelenkverschleiß tun kann.

ortenauklinik_eingang5Klinik-Info: Pro Jahr werden am Ortenau Klinikum Offenburg-Gengenbach mehr als 1000 Ersatz-Ops an Hüft- und Kniegelenken durchgeführt. Dank patientengesteuerter Schmerz-Pumpen in dem Endoprothetikzentrum der Maximalversorgung werden die Eingriffe als wenig belastend erlebt. Dazu kommt die interoperative Aufarbeitung des verlorenen Bluts und die Eigenblutspende vor der OP, so dass inzwischen kaum noch Fremdblut zum Einsatz kommt

Klinikkontakt: Ortenau Klinikum, Orthopädische Klinik, Leutkirchstraße 32, 77723 Gengenbach, Tel. 07803/ 89-1401, Web: www.endoprothetik-ortenau.de

5 thoughts on “Jetzt kann ich mich wieder so frei bewegen, wie ich es möchte

  1. es ist wirklich schön wenn jemand sich richtig gut bewegen kann nach so einer OP. Natürlich ist es schwer aber ich bin zuversichtlich, dass das jeder schaffen kann. Laufen ist schließlich ein Grundbedürfnis des Menschen.

  2. Mein Vater muss bald eine OP haben und wird die Hüftprothese bekommen. Er hat aber Angst und weiß noch nicht genau, ob er damit weiter zufrieden sein wird. Vielen Dank, dass sie Ihre Geschichte mit uns geteilt haben. Ich werde bestimmt diesen Artikel meinem Vater zeigen, um ihm zu inspirieren.

  3. Vielen Dank für diesen Beitrag über die künstliche Hüftprothese. Mein Onkel hat starke Hüftschmerzen und denkt jetzt darüber, eine Prothese zu bekommen. Gut zu wissen, dass wenn die Lebensqualität von Patienten wegen Schmerzen sinkt, ist das die beste Zeit für eine Prothese.

  4. Vielen Dank für das gute Interview! Auch ich bin mitten in der Bewegung eingefroren und wusste, dass ich da etwas machen lassen muss. Der Artikel macht mir Mut, dass ich die Arthrose mit einer Behandlung ohne Operation loswerde.

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About André Berger

Geboren in Hamburg. 1986-1990 freier Reporter. 1991 Redakteur Heinrich Bauer Verlag. Seit 1992 freier Medizinreporter Meine Arzt- & Patienten-Reportagen (Text & Fotos) erscheinen regelmäßig in den großen, wöchentlichen Publikums- und Frauenzeitschriften des Burda-Verlags, der Funke-Gruppe und des Bauer Verlages