Meine quälenden Bauchschmerzen entpuppten sich als eine Erkrankung der Bauchspeicheldrüse

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Ohnmacht. Das Petzen im Bauch setzt meist pünktlich am frühen Nachmittag ein – und das Schlimmste für Melanie Jung (38, Name geändert) ist, dass sie sich dabei so hilflos fühlt. Noch um halb zwei isst die Berlinerin normal zu mittag. Kaum eine halbe Stunde später ziehen die lästigen Leiden auf, die die Verwaltungsangestellte quasi nicht mehr von der Toilette kommen lassen.

Erschöpfung. „Fast immer begann es mit Schmerzen“, erinnert sich die 38jährige. „Gefolgt von Blähungen, Durchfällen und Krämpfen. Oft dauerte es mehrere Stunden, bis die Beschwerden nachließen. Hinterher war ich jedesmal völlig erschöpft.“

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Fehlangriff. Die ersten zwei Jahre nimmt Melanie Jung die Beschwerden einfach hin. Schließlich bestimmt ein anderes Grundleiden ihren Alltag. Mit dreizehn, mitten in der Pubertät, erkrankt sie an einem so genannten Typ I Diabetes. Durch Fehlsteuerung des Immunsystems haben Abwehrzellen die Insulin-produzierenden Betazellen in der Bauchspeicheldrüse angegriffen und irreparabel zerstört.

Verzicht. „Fortan musste ich mir regelmäßig fünf mal am Tag selber Insulin spritzen“, berichtet sie. „Vor diesem Hintergrund gewöhnte ich mich daran, solche Zipperlein nicht so ernst zu nehmen. Ich sortierte meine Beschwerden unter Reizdarm ein und versuchte mir vor allem selbst zu helfen, in dem ich auf immer mehr Produkte verzichtete.“

Ersatz. Statt Weizenbrot gibt es bei Melanie fortan Dinkelprodukte. Milchprodukte wurden durch laktosefrei Hafermilch ersetzt. Und Zucker gab es auch nur noch zu Weihnachten und Ostern. „Besonders schwer fiel es mir auf die Restaurant-Besuche zu verzichten. Da man mir nie sicher sagen konnte, ob nicht doch eine oder mehrere der kritischen Zutaten auf meinem Teller waren, blieb ich häufig zu Haus. Bei der Arbeit ließ ich schweren Herzens die Kollegen alleine zum Essen gehen und brachte mir statt dessen meinen Salat von zu Hause mit.“

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Frustrierend Aller Selbstdisziplin zum Trotz – der herbeigesehnte Erfolg stellt sich nicht ein. Im Gegenteil: Melanie Jung verliert an Gewicht. „Und egal was ich wegließ, es änderte sich daran nichts. Versuchte ich mit der Ernährung gegenzuhalten, in dem ich schwere, fettreiche Lebensmittel zu mir nahm, wurde der Durchfall sogar noch schlimmer. Am Ende konnte ich machen, was ich wollte. Es schmolzen Pfund um Pfund!“

Hilflos. Anfang 2021 fasst sich die brünette Frau ein Herz, spricht den betreuenden Diabetologen an. Da Blutzuckerspiegel und Gefäße in Ordnung sind, vermutet der Mediziner erstmal eine relativ häufig beobachtete „Motilitätsstörung“ bei Menschen mit „Diabetes“. Die Bewegungsstörung des Verdauungstrakts kann sowohl durch Medikamente aber auch durch die Krankheit getriggert werden. Deshalb rät der Arzt Melanie Jung mehr Bewegung, um die Peristaltik zu verbessern.

Erfolglos. „Leider blieb all‘ mein Walken und mein Joggen ohne Erfolg. Als ich meinen Diabetologen darauf beim nächsten Besuch hinwies, erklärte er mir, dass laut Studien Gastrointestinale Symptome bei Typ-I-Diabetikern im Vergleich zur Kontrollgruppe gleichen Alters und Geschlechts ohne Diabetes mellitus auch nicht häufiger vorkommen – und ich vermutlich unter dem Reizdarm-Syndrom leide.“

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Wende. Die Wende zum Guten kommt erst, als die Frau sich zur Corona-Impfung anmeldet und in der Hausarztpraxis Berlin Westend bei Frau Doktorin Sandow im Juni einen Termin bekommt. Mehr Beiläufig spricht dabei die leidgeprüfte Frau die Allgemeinmedizinerin  auf ihre unklaren Beschwerden an.

Häufig. „Auch wenn keiner gerne über seine Verdauungsprobleme spricht: Sie sind kein Einzelfall,“ emutigt Dr. Petra Sandow. „Wir schätzen, dass inzwischen jeder Dritte ab und zu Probleme mit dem Bauch hat. Das Wichtigste ist dann erstmal eine genaue Diagnosik. Der Befund ,Reizdarm‘ steht normalerweise am Ende der Diagnostik – nachdem alle anderen Krankheits-Möglichkeiten ausgeschlossen wurden. Gerade hier sollten wir nicht nur bei Menschen mit Diabetes auch an andere Ursachen denken!“ 

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Verdächtig. Was der Hausärztin eigenartig vorkommt: die Berichte von den starken Bauchgeräuschen, den Krämpfen im Oberbauch, dem explosionsartigen Toilettenzwang und den Blähungen. „Deshalb ließ ich nach der Routine-Koloskopie eine Blut- und eine Stuhlprobe ins Labor schicken“, berichtet sie. „Drei Tage später bestätigte der Befund den Anfangsverdacht: der deutliche Mangel der Enzyme Lipase und Amylase in Blut bzw. der Pankreas-Elastase im Stuhl weist auf eine klassische exokrine Pankreasinsuffizienz hin – eine Störung der Produktion von Verdauungsenzymen in der Bauchspeicheldrüse.“

Überflüssig. Experten schätzen, dass etwa jeder zehnte Patient mit diffusen Bauchbeschwerden an der sogenannten „Exokrinen Pankreasinsuffizienz“ – kurz EPI – leidet. Häufig werden solche vermeintlich geringfügigen und als peinlich empfundenen Verdauungsprobleme über länge Zeit einfach nur hingenommen und ertragen. „Unnötigerweise“, ist sich Dr. Sandow sicher. „Denn die benötigten Verdauungsenzyme können dem Körper einfach zur Mahlzeit in Form von Verdauungsenzymen in Kapselform z.B. aus Reispilzen zugeführt werden.“

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Compliance. Diese Rizoenzyme übernehmen im Körper die Aufgaben der fehlenden körpereigenen Enzyme. Die Wirkung: Vor allem Lipase, Protease und Amylase können die komplexe Verdauung von Fetten, Eiweißen und Kohlenhydrate wiederherstellen. Dadurch können die Betroffenen weitgehend zu ihren gewohnten Essgewohnheiten zurückkehren.

Simpel. Melanie Jung holt sich das Enzym-Präparat gleich aus der Apotheke, tastet sich bei der Dosis dann langsam heran. „Gute Erfahrung habe ich mit jeweils zwei kleinen Kapseln pro Mahlzeit gemacht, die ich unzerkaut einfach mit einem Schluck Wasser dazu eingenommen habe“, erzählt sie.

Erfolg. „Was mich wirklich verblüfft hat, war der umgehende Wirkungs-Eintritt: schnell nach Behandlungbeginn waren die Schmerzen kaum noch spürbar. Und auch die Blähungen blieben aus. In den nächsten ein bis zwei Wochen normalisierten sich  dann Stuhlfrequenz, -farbe und -konsistenz. Heute kann ich wieder alles essen – ohne hinterher tausend Tode zu sterben. Das ist ein wirkliches Stück Lebensqualität!“



Fünf Fragen an Dr. Petra Sandow, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Berlin

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Woran erkenne ich, dass ich zu wenig Verdauungsenzyme habe? Klassisch sind Beschwerden wie Blähungen, Oberbauchschmerzen, häufiger Stuhlgang mit heller Farbe und weicher Beschaffenheit. Ein wirklich einfacher und logischer Nachweis ist: bringt die Einnahme der Enzyme eine Beschwerde-Linderung, liegt eine Schwäche der Bauchspeichel vor. Wirken sie trotz richtiger Einnahme und Dosiserhöhung nicht, ist eine exokrine Pankreasinsuffizienz eher unwahrscheinlich.

Gibt es eine spezielle EPI-Diät? Außer Reduktion bzw. komplette Meidung von Alkohol gibt es eigentlich keine großen Einschränkungen bei einer Bauchspeicheldrüsenschwäche. Wenn Sie Enzympräparate einnehmen, können Sie fast alles essen. Wichtig ist, dass Sie über den Tag verteilt besser vier bis sechs kleinere Mahlzeiten zu sich nehmen, als zwei große; dass Sie langsam kauen und sich ausreichend Zeit fürs Essen nehmen; dass Sie auf eine ausgewogene, abwechlsungeiche und nicht zu fette Ernährung achten.

Und was ist mit dem Lifestyle-Change? Hier gilt, alles was der Verdauung gut tut, ist natürlich auch bei der Pankreasinsuffizienz hilfreich. Dazu zählt körperliche Belastung um die Darmbewegung (Peristaltik) anzuregen. Ausreichend trinken – mindestens zwei Liter Wasser, Schorlen oder koffeinfreie Tees. Stressabbau und bequeme Kleidung.

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Wie setze ich die Enzyme richtig ein? Nehmen Sie die Kapseln verteilt zu jeder Hauptmahlzeit ein – auch zu fetthaltigen Zwischenmahlzeiten. Schlucken Sie die Kapseln unzerkaut mit reichlich Flüssigkeit zum Essen. Nicht vorher und nicht nacher! Kauen Sie die Nahrung lang und gründlich.

Welcher Personenkreis ist besonders gefährdet? Ein erhöhtes Risiko für eine exokrine Pankreasinsuffizienz liegt bei Menschen vor, die – wie im vorliegenden Fall- an Diabetes leiden, schon mal eine Bauchspeicheldrüsenentzündung hatten, rauchen oder regelmäßig Alkohol trinken, sich in der zweiten Lebenshäflte befinden oder starkes Übergewicht haben.

Stoffwechseltalent Bauchspeicheldrüse

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Das zirka 80 Gramm Leichtgewicht zwischen Magen und Darm stellt täglich bis zu zwei Liter Verdauungsspeichel her. Dieser enthält bis zu 30 Gramm Enzyme, die im Dünndarm Fette, Eiweiße und Kohlenhydrate spalten. Zusätzlich sitzen auf dem 16 Zentimeter kleinen Organ eineinhalb Millionen „Langerhans-Inselzellen“. Sie schütten bei Bedarf Insulin aus. Dieses Hormon hält den Blutzuckerspiegel in Balance.

Hintergrund Diabetes. Alle zehn Minuten ein Herzinfarkt, alle zwölf ein Schlaganfall, alle 20 eine Amputation; jede Stunde ein Nierenversagen und alle eineinhalb eine Erblindung – für rund acht Millionen Deutsche tickt diese Uhr des Schreckens. Sie leiden an Diabetes. Ihre Bauchspeicheldrüse produziert zu wenig oder gar kein Insulin mehr.

„Das Hormon wird eigentlich immer dann vermehrt von der Bauchspeicheldrüse ausgeschüttet, wenn wir nach dem Essen Zucker im Blut haben“, erklärt Frau Doktorin Sandow.   „Das Problem:   Neben dem seltenen Fehlangriff des Immunsystems – dem Typ I-Diabetes – bringt bei den meisten Betroffenen der modernen Lebensstil die Insulinproduktion zum Erliegen. In diesem Fall sprechen wir vom Typ II Diabetes“.

Wichtig: Verdauungsbeschwerden bei Diabetes werden häufig fehlinterpertiert, da sie mit der Medikation oder mit Motilitätsstörungen im Rahmen der Stoffwechselerkrankung in Verbindung gebracht werden.

Selbsthilfe: So beruhigen Sie den Bauch

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Das können Sie tun: Bei Störungen der Fettverdauung durch eine exokrine Pankreasinsuffizienz ist es immer sinnvoll, ein Enzym-Tagebuch zu führen. Notieren Sie, was Ihre Beschwerden verursacht und vor allem wann sie auftreten (Tages- und Arbeitsrhythmus, Stress, Essen, Menge der eingenommenen Enzyme, sonstige Medikamente).

Locker lassen: Verringern Sie berufliche oder private Dauerbelastungen. Progressive Muskelentspannung oder Autogenes Training helfen Ihnen, den Alltagsstress besser zu „verdauen“.  

 Bewusster Essen: Gereifte Milchprodukte wie Joghurt und Kefir stabilisieren die Darmflora und regulieren die Verdauung auf natürliche Weise. Verzichten Sie außerdem auf Alkohol, der belastet die Bauchspeicheldrüse.

Wärmen & bewegen: Wärmflasche und feuchte Wickel lösen Verspannungen und Krämpfe. Kamillentee beruhigt den Darm. Bewegung löst verspannte Muskulatur, stärkt die Darmfunktion.

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EPI-Kurzcheck – soll ich zum Arzt?

  • Meine Bauchgeräusche sind manchmal so laut, dass es mir unangehnehm ist
  • Ich leide vor allem nach fettigem Essen stark unter Blähungen und Völlegefühl
  • Wenn ich groß zur Toilette muss, habe ich keine Zeit zu verlieren
  • Mein Stuhlgang ist sehr weich, hell und voluminös und schwimmt im Toilettenwassser oben
  • Nach dem Spülen muss ich oft die Bürste benutzen und es riecht stechend scharf
  • Ich habe gürtelförmige Schmerzen und Krämpfe im Oberbauch
  • Ich leide an Gewichtsverlust
  • Ich leide unter anhaltender, wiederkehrenden Müdigkeit

Auswertung: Je öfter Sie mit Ja geantwortet haben, desto wahrscheinlich ist es, dass Sie an einer Pankreasinsuffizienz leiden. Auch wenn nur zwei oder drei Beschwerden auftreten, sollten Sie Ihren Arzt bei nächster Gelegenheit ansprechen. Nehmen Sie dazu gerne den Kurzcheck mit.

Therapiekosten:
Verdauungsenzyme aus Reispilzen, die die Arbeit der körpereigenen Enzyme übernehmen, gibt es rezeptfrei in jeder Apotheke (z.B. Nortase, 100 Kapseln ca. 34 Euro).  Halten Sie Rücksprache mit Ihrem Arzt wegen einer möglichen Verordnung. 

Arztkontakt: Hausarztpraxis Berlin-Westend, Dr. med. Petra Sandow, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Reichsstraße 81, 14052 Berlin, Telefon: 030-3042823

One thought on “Meine quälenden Bauchschmerzen entpuppten sich als eine Erkrankung der Bauchspeicheldrüse

  1. Vielen Dank für diesen Artikel zu deiner Erkrankung. Gut zu wissen, dass du gegen die Bauchschmerzen Enzyme einnimmst. Ich werde auch mal versuchen, meine Magenbeschwerden mit Akupunktur zu behandeln.

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About André Berger

Geboren in Hamburg. 1986-1990 freier Reporter. 1991 Redakteur Heinrich Bauer Verlag. Seit 1992 freier Medizinreporter Meine Arzt- & Patienten-Reportagen (Text & Fotos) erscheinen regelmäßig in den großen, wöchentlichen Publikums- und Frauenzeitschriften des Burda-Verlags, der Funke-Gruppe und des Bauer Verlages