Dank einer faltbaren Aortenprothese bin ich dem Tod von der Schippe gesprungen

Patient_XaverAignerTapfer.„Ich bin jetzt in einem Alter, da sagt man spöttisch: wenn morgens nichts mehr weh tut, dann weiß man, man ist tot“. Was Schmerzen und Krankheit betrifft, hat Xaver Aigner (79) schon so einiges hinternehmen müssen. Doch immer hat sich der ehemalige Bahn-Beamte berappelt. Schließlich braucht ihn sein Frau Wilma, die schwer an Parkinson erkrankt ist. Und dann ist da noch der wunderschöne Dachterassen-Garten der Penthouse-Wohnung in München, der regelmäßig gegossen, geschnitten und gepflegt werden will.

Akut. „Die Schmerzen, die Anfang des Jahres bei mir auftraten, gehörten eindeutig nicht in die Kategorie ,Zipperlein’: es fühlte sich an, als würde etwas im Bauch zerreißen. Brennende, kolikenartige Schmerzen breiteten sich rechts von der Mitte aus. Ich rief sofort den Rettungswagen, kam ins Krankenhaus. Für mich eine Tragödie: Schließlich musste ich meine Frau allein und unversorgt lassen“, so Xaver Aigner.

Diagnostik_UltraschallAnfangsverdacht. Aufgrund einer Vergrößerung der Gallenblase tippten die Ärzte in der Notaufnahme der Helios Klinik München West zunächst auf Gallensteine, setzten Xaver Aigner routinemäßig für den nächsten Tag auf den OP-Plan, ließen zur Sicherheit ein Übersichts-CT vom Bauchraum des Rentners machen. „Das Ergebnis war ein Schock – sowohl für mich, als auch für die Ärzte: die Röntgenschicht-Aufnahme offenbarte, dass die innere Gefäßwand meiner großen Körperschlagader geplatzt war und mit jedem Herzschlag Blut austrat.“

Arztgespraech_CTGlück. Einzige Grund, warum Xaver Aigner noch nicht verblutet und tot war: Der Rentner hatte eine so genannte Aortendissektion erlitten. Das Blut lief in die Wandschichten der Hauptschlagader. Dadurch war der Blutverlust begrenzt. „Es ist allerdings nur eine Frage der Zeit, bis es zu einem entgültigen Aufplatzen der Hauptschlagader – der Aortenruptur – kommt,“ erklärte ihm Gefäßchirurg und Chefarzt Dr. Reza Gothbi. „Deshalb werde ich sie morgen früh operieren – und nicht der Kollege, der für die Gallenblase zuständig ist.“

CT3D_AortenAneurysmaHintergrund.Noch bis vor 50 Jahren verlief eine Aortendissektion meist tödlich. Dank der Fortschritte in der Medizin steht heute die Dissektion zusammen mit dem „Aorten-Aneurysma“ als „Aortenerkrankung“ nur noch an 13ter Stelle der Todesursachenstatistik der über 65jährigen. Pro Jahr rechnet man hierzulande mit knapp 10000 Neuerkrankungen.

Fortschritt. „Während man früher Veränderungen an der Hauptschlagader meist offen operierte, indem man ein Ersatzgefäß aus Kunststoffen wie Dacron oder Gore-Tex einsetzte, ist die Gefäßchirurgie seit Anfang der 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts dabei, immer mehr Aorten-Erkrankungen minimal-invasiv mittels Katheter zu behandeln“, sagt Dr. Reza Ghotbi, der ein renommierte Spezialist auf dem Gebiet der minimal-invasiven Gefäßchirurgie ist. „Inzwischen stehen uns endovascular – also vom Gefäßinneren – zahlreiche Gefäßprothesen zur Verfügung, mit denen wir entsprechend der individuellen, anatomischen Gegebenheiten die Aorta so schonend wie möglich im Katheterlabor reparieren können.“

Arztgespraech_Gefaessprothese2Genial. Die Innenseite der Prothese wird in der Zeit nach der Implantation vom Blut selbst mit einer Schicht aus Blutplättchen und Fibrinfasern ausgekleidet, die entsprechend zur Gefäßinnenhaut die Funktion der so genannten Intima übernimmt. Das Blut hat wieder das „Gefühl“, in einem ganz normalen Gefäß zu fließen. Reaktionen des Immunsystems werden vermieden. Laut aktueller Studien funktionieren noch rund 90 Prozent der Aorten-Prothesen fünf bis zehn Jahre nach der Implantation.

Eingriff_Anaesthesie3Ablauf. Für den Eingriff wird Xaver Aigner gleich als Erster am nächsten Morgen in den drei Millionen Euro teuren Hybrid-OP-Saal gebracht. „Hier steht mir unter anderem ein hochauflösendes C-Ring-Röntgengerät zur Verfügung, mit dem ich die Katheter, die ich von der Leiste her in die Schlagader einführe, genau steuern kann“, berichtet der Chefarzt. „Es bedarf einiges an Fingerspitzengefühl und natürlich Routine, die speziell zusammengefallteten Gefäßprothesen so stabil im Inneren der Aorta zu entfalten, dass hinterher das Blut möglichst ungestört fließen kann.“

Eingriff_Kathetersysteme4Rasch. Der Eingriff bei Xaver Aigner dauert nur gut 90 Minuten. Dann war der Riss in der Gefäßinnenhaut sicher abgedichtet. „Als ich auf der Aufwachstation wenig später zu mir kam, hatte ich gleich ein positives Gefühl. Die massiven Schmerzen waren weg. Und auf dem EKG-Monitor konnte ich sehen, wie gleichmäßig und ruhig mein Herz schlug. Da fiel mir eine riesige Last von der Brust.“

Ehepaar_WilmaundXaverAigner3Erfolg. Weiterer Vorteil der minimal invasiven Operation ist die kurze Erholungszeit nach dem Eingriff: Bereits wenige Tage später konnte Xaver Aigner aus dem Krankenhaus entlassen werden und zurück in die schöne Wohnung, wo Ehefrau Wilma auf ihn wartete. „Wir lassen es jetzt ein bisschen ruhiger angehen“, sagt er. „Wir haben uns Hilfe vom Pflegedienst geholt. Das Wichtigste ist aber, dass wir wieder zusammen sind. Und – wie es die Kontrolluntersuchung jetzt gezeigt hat – es auch noch eine Weile bleiben.“

Check. Tatsächlich ist Doktor Ghotbi mit dem Heilungsverlauf bei Xaver Aigner sehr zufrieden. „Die Prothese ist gut eingewachsen. Das ausgetretene But komplett abgebaut. Die Gefahr, dass die Aorta platzen könnte, ist gebannt. Aus meiner Sicht spricht nichts dagegen, dass Sie hundert Jahre alt werden.“

 

Experte_UltraschallVier Fragen an den Experten Dr. Reza Ghotbi (55)

 Wie stellen Sie fest, dass die Hauptschlagader erkrankt ist und welche Beschwerden sind typisch? In der Frühphase machen Veränderungen der Aorta wie Aussackungen (Aneurysmen) keine Beschwerden, so dass oftmals die Diagnose nur zufällig gestellt wird, zum Beispiel bei einer Ultraschall oder Röntgenuntersuchung. Erst im Akutfall, wenn das Gefäß Blut verliert, kommt es zu plötzlich einsetzende Beschwerden wie stechende, brennende Schmerzen mit sofort maximaler Intensität. Leider ist dann kaum noch Zeit zu handeln, weil eine Ruptur der Aorta mit plötzlichem Herztod droht.

Experte_CT2Wie kommt es zum Platzen der Aorta? In den meisten Fällen kommt es zunächst zur Aussackung der etwa zweieinhalb Zentimeter dicken Körperschlagader. Bis zu einem gewissen Grad ist das im Alter normal. Aber bei über fünf Zentimeter wird es kritisch. Dann kann entweder die verkalkte Gefäßinnenhaut einreißen, und es kommt zur Aortendissektion – wie bei Herrn Aigner; oder das Gefäß platzt komplett, was bis heute in den meisten Fällen sofort tödlich ist.

Welche Diagnose-Verfahren setzen Sie ein? Für die Untersuchung der Aorta setzen wir auf verschiedene so genannte bildgebende Verfahren. Die einfachste ist sicherlich die Ultraschalluntersung, mit der zum Beispiel der Verlauf von Aneurysmen schnell und wenig belastend kontrolliert werden können. Zur genaueren Beurteilung und zur OP-Planung ist dann eine so genannten Massencomputertomographie sehr hilfreich, weil daraus dreidimensionelle Ansichten gerechnet werden können.

Detail_GefaessprotheseWie läuft der minimal-invasive Eingriff ab? Bei der minimalinvasiven Operation – der endovasculären Aneurysma Reparatur – wird eine zusammengefaltete Stentprothese über die Leistenschlagadern in die Hauptschlagader eingebracht und dort unter Röntgenkontrolle entfaltet. Dadurch fließt das Blut durch die Prothese und nicht mehr durch das Aneurysma. Zur Behandlung von längerstreckigen Aneurysmen können gegebenenfalls Spezialprothesen notwendig sein, die kleine Öffnungen oder Ärmchen besitzen, um betroffene Organarterien miteinbeziehen.

Welchen Vorteil hat das Verfahren? Der Vorteil dieser Methode ist die geringe Herzbelastung, so dass dieses Verfahren auch bei herzkranken Patienten angewandt werden kann. Darüber hinaus erfordert die Operation nur zwei kleine Schnitte in der Leiste. Eine sehr rasche Erholung nach der Operation ist die Regel.

 

Magnetom-Avanto-6Kasten Sensible Gefäße

Normalerweise sind die  Arterien beim Menschen elastisch und muskulös. Von der Aorta (20 Millimeter Durchmesser) bis zum Kapillar  (0,008 Millimeter Durchmesser) passen sich die Bahnen für das sauerstoffreiche Blut den unterschiedlichsten Belastungssituationen an, können sich dehnen und zusammenziehen. Doch Faktoren wie ein zu hoher Blutdruck, zu viel Cholesterin und vorgeschädigte Arterienwände können die Transportwege des Blutes zerstören: Fettstoffe bleiben an der Gefäßwand kleben und wachsen langsam heran. Schließlich lagert sich Kalzium ab – die Gefäße verkalken im wahrsten Sinne des Wortes.

 

Selbsthilfe_GesundeErnaehrung2Selbsthilfe-Kasten

Verkalkung der Gefäße ist ein Hauptrisiko-Faktor für die Erkrankung der Aorta. Je gefäßbewusster Sie leben, um so eher können Sie ein Aneurysma vermeiden.

Lebensstil-Änderung:   Falsche Ernährung, aber auch Rauchen, sowie Bewegungsmangel sind die Top-Feinde der Gefäße. Denn die Folgen sind Bluthochdruck, Diabetes und Übergewicht. Und das sind allesamt Faktoren, die das Risiko einer Schlagader-Ruptur erhöhen.

Zum Arzt:  Wenn Sie unter Adipositas II (krankhaftes Übergewicht) leiden, sollten Sie beim Arzt zumindest die Risikofaktoren „Bluthochdruck“ und „Cholesterin“ regelmäßig kontrollieren lassen. Auch, wenn es in Ihrer Familie bereits Fälle von Arteriosklerose gab, sollten Sie zum Vorsorgecheck!

 

Der Arzt: Gefäß-Spezialist

Dr. Reza Ghotbi (55) ist Gefäßchirug und Spezialist für Endovaskuläre (minimal-invasive) Verfahren.Er leitet seit 2003 die Gefäßchirurgische Klinik des HELIOS Klinik München West mit 60 Betten.

Klinik_HeliosMuenchenWestMehr Infos:

HELIOS Klinikum München West, Gefäßchirurgische Klinik, Steinerweg 5, 81241 München, Tel. 089/8892-2628, Internet: http://www.helios-kliniken/muenchen-west

Wichtig: bei der vorgestellten Patienten-Reportage handelt es sich um einen Einzelfall. Der individuelle Behandlungsbericht erhebt nicht Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Bitte beachten Sie, dass mein Artikel in keinem Fall eine Beratung durch den Arzt oder Apotheker ersetzt. Dieser Blog dient allein der medizinjournalistischen Information

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About André Berger

Geboren in Hamburg. 1986-1990 freier Reporter. 1991 Redakteur Heinrich Bauer Verlag. Seit 1992 freier Medizinreporter Meine Arzt- & Patienten-Reportagen (Text & Fotos) erscheinen regelmäßig in den großen, wöchentlichen Publikums- und Frauenzeitschriften des Burda-Verlags, der Funke-Gruppe und des Bauer Verlages